Live aus Bihać

Dirk Planert ist als Journalist nach Bihać gekommen und als Helfer dort geblieben. Hier ein sehr persönlicher Bericht von heute. Das Datum kann wichtig sein, denn die Lage ändert sich im Moment täglich.

Wir haben beschlossen, seine Arbeit mit 5.000 € zu unterstützen. Er schreibt:

Wir hoffen, das Vučjak morgen nun endlich aufgelöst wird. Die Menschen sollen nach Sara­jevo.

Heute haben sie den ganzen Tag, wie sie es nennen, die Stadt „gesäubert“. Allein das Wort beschreibt, was hier los ist. Der Flüchtling ist hier soviel Wert wie der Dreck unter dem Fingernagel.

In der gesamten Grenzregion des Kantons Una Sana (Bihać) sind Menschen unterwegs, die versuchen über die Grenze zu kommen. Sie pausieren im Wald, in leerstehenden Häusern oder alten Fabrikgebäuden. In den letzten Tagen waren die Temperaturen unter Null. Jetzt zum Glück knapp darüber.

Wir konnten in Vučjak einige Tage nicht arbeiten, weil die Flüchtlinge gestreikt haben – Verweigerung jeder Hilfe als letztes Mittel.

Wir haben dann die mobile Hilfe gestartet. Unser Freund und Mitarbeiter Zlatan hat ein Quad mit vier Rädern, aber nur ein Bein (Granate, er war 15 – ich besorge ihm gerade eine gute Prothese). Er fährt refugee Routen ab, wir andere. Funkkontakt. Wenn er einen „Treffer“ hat, ruft er uns.

Dabei geht es um zurückgepushte Menschen, denen die kroatische Polizei grundsätzlich ALLES abnimmt. Frauen und Kindern lassen sie zumindest die Schuhe. Diese Menschen werden durch die Wälder zurück getrieben (Minengefahr) und landen dann durchnässt, hungrig und frierend irgendwo in den Wäldern (orientierungslos) oder an den Landstraßen. Genau die suchen wir und geben ihnen alles, was der Mensch in einer solchen Situation braucht. Oft sind Frauen und Kinder dabei. In diesen Fällen informieren wir „Danish refugee council“ oder IOM und bleiben bei ihnen, bis sie abgeholt und in Camps für Familien (Hotel Sedra oder Borici) gebracht werden. Bisher hat es funktioniert. Dean und ich haben für uns entschieden, das wir NIE Frauen und Kinder in Kälte und Dunkelheit alleine lassen werden und sie zur Not selbst in die Camps fahren. Werden wir erwischt, gehen wir ins Gefängnis. „Migranten“ im Auto mitzunehmen ist in diesem Land sofort Schlepperei also kriminell.

Wie erwähnt – bisher war das nicht erforderlich. Unser Freund Zlatan hat gute Kontakte zur bos­nischen Grenzpolizei, mit denen wir durchaus zusammen arbeiten. Vor – ich habe vergessen – einigen Tagen, haben wir gemein­sam mit der Grenzpolizei (Bosnisch) eine 7-köpfige Gruppe mit einer schwangeren Frau und einem kleinen Kind 15 Kilometer tief im Wald gefunden und sie ins Camp Sedra (ist ok) gebracht. Ohne uns wäre diese Familie zerrissen worden und der Vater möglicherweise im Wald erfroren.

Es ist wunderschön in diesem Winterwald. Ich habe ihn trotzdem als tödliche Bedrohung wahrgenommen. Brutal. Meine Auto hat 4-Rad-Antrieb – Zlatan kommt immer durch.

Ich komme mit allem klar. Frauen und Kinder so zu erleben – das tut verdammt weh, danach. Ich habe IMMER rosa Luftballons dabei und mache Dönekes mit den Kindern. Das lenkt sie ab. Verbinde ich Wunden, macht Dean das, damit sie das nicht so mitbekommen. Er ist erst 23 und ein unglaublich toller Bengel.

Wir haben in den letzten Tagen gefühlt etwa 400 bis 500 Menschen mobil versorgt. Ich habe sehr viel gelernt in den 3 1/2 Monaten Ambulanz in Vučjak und habe immer ein Medic Pack dabei. 80 % der medizinischen Probleme habe ich im Griff. Es gibt Dinge die ich grundsätzlich nicht mache. Diese Menschen fahre ich ins Krankenhaus.

Heute haben zwei bosnische, ehrenamtlich arbeitende Frauen 120 Lunchpakete für uns fertig gemacht. Wir zahlen und kaufen mit ihnen ein, sie packen. Die dürften für morgen reichen. Wir haben ein großes Lager, in dem ich eine LKW-Ladung Kleidung und Decken hatte. Was an das Rote Kreuz Bihać geht, verteilen die, darauf haben wir leider keinen Zugriff. Trotzdem habe ich eine perfekt ausgestattete Apotheke in unserer Garage unter unserer Wohnung (billiger als Hotel und wir können lagern).

 Was wir haben: Gerade 30 Öfen für Stück 35 Euro – für uns produziert.

Die brauchen wir für die leerstehenden Häuser, in denen Menschen sind.

Sie MÜSSEN Feuer machen, sitzen aber im Rauch – deshalb die Öfen – damit der Rauch abzieht.

DRINGEND:
Wir müssen schnellstmöglich Schlafsäcke, lange Unterhosen, Stiefel, Taschenlampen, Lunchpakete, Socken kaufen. Das ist zur Zeit die Priorität. Ich habe noch Geld und werde morgen für etwa 2.000 € bestellen. Wir haben den günstigsten Laden in Bihać gewonnen. Wir bekommen 20 % Rabatt.

Kurz: Die Summe, die Ihr uns zur Verfügung stellt, geht sofort als Bestellung an diesen Laden raus. Ich habe Anhänger, hole ab, lagere ein – packe Auto voll und go.

Das ist die Situation.

Solltet Ihr Euch positiv entscheiden, egal mit welcher Summe, springen wir unter die Decke. Wenn nicht, ist das auch ok.

Herzliche Grüße

Dirk Planert (Journalist)