Rundbrief 47 – Februar 2024

Inhalt:

Vorwort: Der Frühling kommt…

…und damit vielleicht auch ein paar Frühlings­gefühle. Manche Tiere beenden ihren Winter­schlaf und auch die anderen Lebewesen werden wieder aktiver. Wir auch?

Wir vom Aachener Netzwerk könnten durchaus ein paar Leute vertragen, die für uns aktiv(er) werden. Die Projekte vorschlagen, die Verant­wortung übernehmen, die „machen“.

Immer wieder sehen wir, was möglich ist, wenn sich jemand einer Aufgabe annimmt. So kann man es auch in diesem Rundbrief nachlesen:

Gregory, der sich darum kümmert, dass unser Projekt „Kohle für Kohle“ (endlich) in trockene Tücher kommt und die Stadt Siwersk mit Holz-Briketts versorgt wird.

Mujo, der ständig für HEJ aktiv ist und nun mit „seiner“ Bonner Schule in Busovača war.

Julia, die sich um Ukrainer*innen hier und in der Ukraine kümmert und den ukrainischen Kindern in Aachen einen wunderschönen Nachmittag organisiert hat.

Dorothee und Helmut, die dafür gesorgt haben, dass unsere Ausstellung in Karlsruhe und Köln zu sehen waren.

Thomas, der immer wieder in Calais ist, dort Kontakte hält und uns immer wieder davon berichtet, „was dort los ist“.

Und dann kommen eben auch „Vereinsfremde“ manchmal mit Ideen auf uns zu. Wie Lutz Felbick, der eine Benefiz-CD mit Orgelmusik bespielt hat und so eine Verknüpfung von Kultur mit dem Krieg in der Ukraine herstellt.

Im Dezember haben wir noch (sehr erfolgreich) um Spenden geworben. Wir hoffen, dass auch unser Werben um WoManpower erfolgreich ist.

Denn wir benötigen beides:

Finanzielle Power und kreative Mitarbeit!

Der Vorstand des Aachener Netzwerks
Dirk, Giana, Helmut und Mujo

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Einladung zur ordentlichen
Mitgliederversammlung 2022
Samstag, 9. März 2024, 15:00 Uhr

  1. Begrüßung, Protokollführung
  2. Feststellen der Beschlussfähigkeit
  3. Genehmigung der Tagesordnung
  4. Rechenschaftsbericht des Vorstands
    sowie der Bericht des Kassenführers
  5. Bericht der Kassenprüfer
  6. Entlastung des Vorstands
  7. Wahl des Vorstands
  8. Wahl der Kassenprüfer
  9. Verschiedenes

Die Versammlung findet im Café Mundo des Aachener Welthauses (An der Schanz 1) und online statt. Die Tagesordnung und die Zugangsdaten sollte jedes Mit­glied per eMail erhalten haben, ebenso wie den Rechenschaftsbericht des Vorstands, der aber auch auf der nächsten Seite zu finden ist.

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Rechenschaftsbericht des Vorstands

Vorgetragen zur Mitgliederversammlung am 9.3.2024, Stand 4.1.2024

1. Allgemeines

1.1. Mitgliederentwicklung

Zum Jahreswechsel hatte der Verein 115 Mitglieder, 10 mehr als bei der letzten Mitglieder­versammlung am 11.03.2023 (105).

1.2. Homepage und Social Media

Die Webseite https://Aachener-Netzwerk.de wurde kontinuierlich gepflegt. Bina-Mira.de und www.FlameforPeace.de wurden darin integriert.


https://www.facebook.com/Aachener.Netzwerk/ 1468 Abonnenten (VJ: 1373)
https://www.instagram.com/aachenernetzwerk/ 607 Abonnenten (VJ: 487)
https://www.youtube.com/channel/UCTgNeSlL3J_T6eCq13jfylw 20 Abos, (VJ: 19).

1.3. Rundbriefe

Der Rundbrief ist zwei-monatlich erschienen, also 6 Mal, dazu kamen zwei Sonderrundbriefe zum 30Jährigen und zu unserer Kunstauktion.
Der Rundbrief hat derzeit 388 AbonnentInnen (inklusive Mitglieder, Vorjahr 359).

1.4. Das Plenum hat sich 17 Mal per Zoom getroffen.

1.5. Am 20. Juni hat Esada Huber den Vorstand aus persönlichen Gründen verlassen.

2. Finanzen

Die Finanzen sind nach wie vor solide (siehe separater Bericht).
Die inhaltliche Arbeit der Projektgruppen sowie weitere Aktivitäten sind in unseren Rundbriefen ausführlich dokumentiert. Deshalb seine sie hier nur kurz und exemplarisch dargestellt.

3. Projektgruppen

3.1. Bina Mira

Bina Mira hat im September in Šid (Serbien) stattgefunden
(https://aachener-netzwerk.de/rundbrief-45-november-2023/#BM1 ff).

3.2. Flame for Peace

2023 gab es nur einen kleinen Friedenslauf im Rahmen von Bina Mira in Šid.

3.3. HEJ

HEJ ist ein Treffpunkt für Kinder und Jugendliche im bosnischen Busovača (https://aachener-netzwerk.de/hej-ein-treffpunkt-fuer-kinder-und-jugendliche/). Die laufenden Kosten betragen ca. 1000 € monatlich.


Auch das zweite Jahr war sehr erfolgreich (https://aachener-netzwerk.de/rundbrief-46-dezember-2023/#HEJ), allerdings müssen wir nach wie vor an der Finanzierung arbeiten. Dazu soll die Kooperation mit der Bertold-Brecht-Gesamtschule in Bonn beitragen.

3.4. Humanitäre Hilfe/Flüchtlingsarbeit

Wir haben 2023 Hilfstransporte nach Calais und in die Ukraine organisiert bzw. unterstützt. Mit dabei waren Sachspenden der Firmen Holzhäuser (https://holzhaeuser.nrw/) und Zentis (https://zentis.de/) im Wert von über 30.000 €.
Nach wie vor suchen wir größere Lagerräume, um größere Sammlungen machen zu können.
Drei Orte in der Ukraine, die zum Teil seit einem Jahr ohne ordentliche Trinkwasserversorgung waren, konnten wir mit Wasserauf­bereitungs­anlagen ausstatten (https://aachener-netzwerk.de/rundbrief-42-juli-2023/#TrinkwasserUkraine).
Der Kauf einer Brikettieranlage war zum Jahreswechsel weit fortgeschritten (https://aachener-netzwerk.de/rundbrief-46-dezember-2023/#Waerme).
Unsere Ausstellung „Menschenrechte an den Außengrenzen der Europäischen Union – Anspruch und Wirklichkeit“ wurde 2023 zwölf Mal an 7 Orten gezeigt (https://aachener-netzwerk.de/ausstellungstermine/).


Unser bosnischer Partner SOS Bihać (https://sos-bihac.org/) wurde durch über 40.000 € sowie durch Zur-Verfügung-Stellung eines Hauses unterstützt (https://aachener-netzwerk.de/rundbrief-46-dezember-2023/#SOS).

4. Weitere Aktivitäten

4.1. 30 Jahre Aachener Netzwerk

Im Frühjahr 1993 wurde das Aachener Netzwerk gegründet. Das haben wir am 9. September im Aachener Welthaus groß gefeiert.

4.2. Kunstauktion

Anfang November haben wir wieder eine Kunstauktion veranstaltet. Die Beteiligung der Künstler*innen war hervorragend, der Überschuss mit gut 6.000 € trotz Unterstützung durch die Stadt Aachen nicht so gut wie 2022 (https://aachener-netzwerk.de/kunstauktion2023/).

Aachen, den 9. März 2024

Der Vorstand:
Dirk Tentler, Giana Haass, Helmut Hardy, Mujo Koluh

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Kohle für Kohle

Die Entstehung von Kohle dauert ziemlich lange. So viel Zeit wollten wir uns eigentlich gar nicht lassen, als wir im Dezember-Rundbrief unter dem Titel „Kohle für Kohle“ an ein ehemaliges Projekt für Winterkohle in Bosnien erinnerten und um Spenden für eine Anlage zur Herstellung von Brennstoffbricketts für die Ukraine baten.

Noch im Dezember gingen 25 Spenden in unterschiedlicher Höhe auf unserem Konto ein. Dafür (mal wieder) ein dickes Danke! Und deshalb gaben wir noch vor Weihnachten das GO! um die Anlage zu bestellen. Unsere Hoffnung war, dass die Anlage schnell geliefert würde, schnell installiert würde und schnell Holz-Briketts erzeugen würde.

Aber so einfach ist es wohl nicht. Zuerst war es der Jahreswechsel, wo auch in der Ukraine weniger gearbeitet wird. Der Kampf gegen die Korruption in der Ukraine macht es schwer, einen ordnungsgemäßen Vertrag aufzusetzen. Vielleicht fehlt es der Herstellerfirma auch an Erfahrung. Mittlerweile sind zwei Verträge fast fertig: Einer zwischen der Herstellerfirma TechnoMashStroy, dem Aachener Netzwerk und der Stadt Siwersk und einer zwischen der Herstellerfirma und der Stadt Siwersk.

Wir hoffen täglich auf die finalen Verträge und dann auf eine schnelle Lieferung. Denn auch wenn der Winter bald vorbei ist, so benötigt man die Briketts auch im Sommer – zum Kochen. Und kann für den nächsten Winter ordentliche Vorräte anlegen.

Gregory Blaida und Helmut Hardy

(Automatisch) übersetzt in etwa:
Um den Lebensunterhalt der Bevölkerung unter den Bedingungen des Kriegsrechts zu sichern, bittet der Stadtrat von Siwersk des Bezirks Bachmut der Region Donezk Ihre Organisation um Mithilfe bei der Finanzierung der folgenden Ausrüstung:
Brikettiermaschine EcoPress BR-50, aerodynamischer Trocknungskomplex CA 400, Hammerbrecher Chopper 400 und Hacker Crusher 700, deren Lieferant TechnoMashStroy GmbH ist, für den Gesamtbetrag von 1.296.213,60 UAH, was 32.108 € entspricht, durch Abschluss einer Vereinbarung über eine Wohltätigkeitsspende.
Begünstigter: Stadtrat Siwersk des Bezirks Bachmut, Gebiet Donezk.
Lieferant: TechnoMashStroy GmbH
Ich hoffe auf Zusammenarbeit und Hilfe
Beste Grüße
Leiter der städtischen Militärverwaltung
Oleksiy WOROBYOV

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Eine Fahrt der Schulpartnerschaft zu HEJ nach Bosnien

Bei einigen Lesern unseres Rundbriefes wird beim Titel des Textes die Frage aufkommen, was eine Schulpartnerschaft mit dem Aachener Netzwerk zu tun hat. Die Antwort ist: Sehr viel.

Aber gehen wir Reihe nach. Anlässlich des 35sten Jahrestages der Olympischen Winterspiele in Sarajevo 1984 wurden im Jahr 2019 in Sarajevo die Europäischen Olympischen Winterspiele für die Jugend (EYOF) veranstaltet. Es nahmen, wie damals 1984, genau 47 Länder (darunter auch Deutschland; 1984 waren es BRD und DDR) und mehrere Tausend Sportler*innen teil. Um die einmalige Gelegenheit zu nutzen und Schüler*innen der Bertolt-Brecht-Gesamtschule Bonn, die schon damals bei mehreren Projekten Kooperations­partner des Aachener Netzwerks war, etwas Außergewöhnliches anzubieten, fuhr ich mit 40 Schüler*innen und zwei Kollegen*innen nach Sarajevo, nach Bosnien und Herzegowina. In das Land bzw. in die Stadt, von deren Schicksal man aufgrund der weltweit gegenwärtigen Kriegsbilder offensichtlich nicht viel gelernt hat. In die Stadt, die, nur 8 Jahre nachdem „die Welt zu Gast war“, mehr als 1500 Tage Belagerung, Beschießung und Zerstörung über sich ergehen lassen musste. Die Stadt, die 15.000 ihrer Bewohner, davon 1.600 Kinder, verloren hat. Das alles, wie damals so auch heute, im Fernsehen zu sehen, darüber zu lesen oder jemandem zuzuhören der darüber erzählt, ist eine Sache. Selber als Schüler*in an einem Tag die tollen sportlichen Veranstaltungen auf höchstem sportlichen Niveau zu sehen und nur Stunden später das weltweit einzigartige Museum der Kriegskindheit zu besuchen, dessen Geschichten 40 Kinder bzw. Jugendliche für eine ganze Weile schweigend, nachdenklich und demütig machen, ist eine ganz andere Sache.

Die damalige siebentägige Fahrt war auf allen Ebenen ein voller Erfolg. Die entstandenen Eindrücke sollten nach dem Gefühl meiner Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schüler in ein dauerhaftes Projekt münden. Wir überlegten uns tatsächlich, eine Art Schulpartnerschaft zu Stande zu bringen, von der sowohl die Schüler*innen aus Deutschland als auch die Schüler*innen aus Bosnien und Herzegowina profitieren sollten. Corona machte uns für mehrere Jahre einen Strich durch die Rechnung. Als wir (Aachener Netzwerk) im Frühling 2022 die Sport- und Kreativwerkstatt HEJ in Zentralbosnien aufgebaut haben und eine tolle Resonanz erfuhren, bekam die Idee der Schulpartnerschaften einen stärkeren Rückenwind.

 

Breit angelegte HEJ-Aktivitäten bauten von Monat zu Monat an einem neuen Netzwerk, an das die Idee anknüpfen konnte. Die benötigte „Überzeugungsarbeit“ und die Einholung der notwendigen Zustimmungen der Schullei­tungen, der Schul- und Lehrerkonferenz und die Orga der Reise nahmen dennoch fast zwei Jahre in Anspruch.

Am 13. Februar 2024 war es dann so weit. Auch dieses Mal fuhren 40 Schüler*innen und Kolleg*innen der Bertolt-Brecht-Gesamtschule Bonn (BBG), jetzt zum 40sten Jahrestag der Olympischen Spiele, nach Sarajevo und Busovača, nach Bosnien und Herzegowina. Einige Tage verbrachten wir in der Hauptstadt, besuchten kulturelle, geschichts- und sport­trächtige Orte. Da die BBG eine sogenannte UNESCO-Schule ist, fuhren wir auch in die in Herzegowina gelegene Stadt Mostar, deren gesamte Altstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Unterwegs trafen wir zum ersten Mal auch unsere Gastgeber, die Schüler*innen der Grundschule Kacuni, der Mittelschule Busovača und der Sport- und Kreativwerkstatt HEJ, die uns für drei Tage in ihre Familien aufgenommen haben. Obwohl das für die Schüler*innen aus Deutschland eine Überraschung war, haben sie ganz schnell die gleiche „Wellenlänge“ mit den gleichaltrigen Gastgebern gefunden. 18 Grad und Sonnenschein lieferten perfekte Außen-Voraussetzungen dafür. Spontan haben wir uns dazu entschlossen auch die wunderschöne südlich von Mostar gelegene Karstquelle des Buna-Flusses zu besuchen. Wie sich später herausstellte, war das eine sehr gute Idee. Für die Statistik-Liebhaber: Die Buna-Quelle ist die zweitgrößte Süßwasser-Quelle in Europa.

Wandbemalung bei HEJ

Zwei Tage später haben uns unsere Gastgeber und deren Eltern offiziell in Busovača, in der Sport- und Kreativwerkstatt HEJ, empfangen. Eine Menge der traditionellen bosnischen Spezialitäten wartete auf uns. Eine anschließende gemeinsame Malaktion brachte die deutschen und bosnisch-herzegowinischen Schüler*innen noch näher. Den Tag verewigte der staatliche TV-Sender mit einem TV-Beitrag.

An dem Abend gingen die Schüler*innen in die Gastgeberfamilien, wo sicherlich jeder von ihnen seine eigenen Eindrücke von Leben, Kultur und Tradition der durchschnittlichen bosnischen Familien sammeln konnte. Am nächsten Tag ging es in die beiden Gastgeberschulen, wo wir alle den Unterricht besuchten, ein Freundschafts-Volleyballspiel machten und uns am Abend ein extra für uns vorbereitetes und in Deutsch untertiteltes Theaterstück „Dosta“ (Genug) angeschaut haben. Während die Schüler*innen eine gemeinsame Party „geschmissen haben“, sprachen die Lehrer*innen über die Zukunft der Partnerschaft. Es sind viele tolle Ideen ent­standen. Am nächsten Tag ging es dann schon wieder nach Deutschland.

Die (niedergeschriebenen) Eindrücke der Schüler*innen und die Gespräche in den Gängen der Schule in den Tagen nach der Reise sprechen eine eigene Sprache. Es hat sich alles sehr gelohnt. Jede einzelne Anstrengung war es wert! Wir alle müssen bzw. sollten jeder auf seine Art und Weise und natürlich nach Möglichkeiten so viel wie möglich machen, um die jungen Menschen Europas zusammenzubringen. Wenn sie sich getroffen haben, machen sie alles mit einer Leichtigkeit, die bei uns Erwachsenen oft zu vermissen ist!

Dr. Mujo Koluh

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Leuchtende Kinderaugen

Was für ein Nachmittag! Leicht verspätet betrat der Nikolaus die Aula des Welthauses und Dutzende ukrainische Kinderaugen fingen an zu leuchten. Natürlich hatte er Geschenke mitgebracht – aber die wollten sich die Kinder erst verdienen.

Die Jugendlichen (u.a. vom Stolberger Ritzefeld-Gymnasium) hatten ver­schiedene Gesangs- und Tanz-Performances vorbereitet, die jüngeren Kinder trugen etwas vor oder beteiligten sich am Malen eines deutsch-ukrainischen Herzens. Das „Modetheater für Talent und Erfolg Inspiration“ unter der Leitung von Iryna Borshch zeigte eine sehr gelungene Modenschau mit ukrainischer Mode.

Olena Duhnovska spielte auf der Geige und die Zauberin Ms. Jeanna Magic zeigte ihr Können.

Julia Shporina hat den Tag wochenlang vorbereitet, Iryna Borshch führte durch den Nachmittag und zahlreiche Helfer*innen betei­ligten sich mehr im Hintergrund.


Ihnen allen danken wir besonders. Und auch der Stadt Aachen sowie dem BENG e.V., die die Veranstaltung finanziell unterstützt haben.

Julia Shporina

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Viele Fragen…

…haben wir euch gestellt, als wir im Februar unsere Umfrage gemacht haben. Denn wir wollten wissen, was unsere Mitglieder und die Leser*innen unseres Rundbriefs über das Aachener Netzwerk und seine Arbeit denken.

Wie wird unsere Arbeit (einge-)schätzt und wo sollen wir unsere Schwerpunkte in Zukunft setzen?

Die meisten Fragen sollten in Form von Schulnoten (1 bis 6) beantwortet werden und diese lassen sich natürlich auch mitteln.

Zuerst mal eine kleine Enttäuschung: Wir haben nur 40 Antworten bekommen. Aber wenn man dann genauer hinschaut, passt es ins Bild: Viele möchten uns durch ihre Mitgliedschaft moralisch unterstützen, viele möchten durch den Rundbrief informiert sein, aber nur wenige nehmen an unserer Arbeit aktiv teil. Das ist etwas, was wir auch in unserer täglichen Arbeit spüren: Wir könnten mehr machen, wenn wir mehr Aktive hätten.

Etwas überraschend waren die Antworten auf die Fragen, wie ihr euch über das Aachener Netzwerk informiert. Dieser Rundbrief steht da ganz weit vorne, gefolgt von unserer Webseite und unseren auf Mitglieder beschränkten WhatsApp-Gruppen. Die Sozialen Medien Facebook und Instagram werden nur sehr wenig genutzt. Oder zumindest wurde die Umfrage von ihren Nutzern nur selten beant­wortet.

In den nächsten beiden Fragegruppen ging es darum, welche Projekte „dir besonders wichtig“ sind und welche „dem Aachener Netzwerk besonders wichtig“ sein sollten. Ein kleiner, aber feiner Unterschied.

Persönlich wichtig war den meisten unsere Unterstützung für SOS Bihać mit einem Wert von 1,8, gefolgt von HEJ und „Politischer Arbeit für Völkerverständigung“ mit je 2,2.

Danach die entscheidende Frage, was für den Verein wichtig sein sollte. Hier waren die „Noten“ im Schnitt besser und nur 2 Projekte lagen über 2: Hilfstransporte und Unterstützung außerhalb Bosniens wurde mit 2,4 am schlechtesten bewertet. Was wohl soviel heißt wie: „Verzettelt euch nicht!“

Bei der Ukrainehilfe schieden sich die Geister: Viele antworten mit „sehr wichtig“ (1), aber mehrere auch mit „unwichtig“ (6) – im Mittel steht eine 2,2.

„Woher nehmen und nicht stehlen“ war die nächste Frage, und auch hier gab es ganz unterschiedliche Antworten. Die Finanzierung über Spenden wurde durchweg für gut befunden, während Mitgliedsbeiträge teils gut, teils schlecht bewertet wurden.

Im Rahmen der Textfelder („Warum bist du Mitglied?“, „Was gefällt dir?“, „Was soll sich ändern?“) gab es ganz überwiegend Lob für unsere Arbeit. Dafür herzlich: Danke!

Wenn ihr noch nicht an der Umfrage teilgenommen habt, aber eure Meinung noch kundtun wollt, hier ist der Link:
https://aachener-netzwerk.de/mitgliederumfrage/

Helmut Hardy

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Die Wanderausstellung in Köln

Unsere Ausstellung „Menschenrechte an den Außengrenzen der Europäischen Union – Anspruch und Wirklichkeit“ war im Februar in Köln zu Gast. Vom 14. bis 29. Februar im Klarissenkloster in Kalk, und zwischendurch am 24. und 25. Februar in der Südstadt, beim „Zwischen.Zeit.Raum“ in der alten Melanchthon-Akademie.

Organisa­toren waren die Kölner Caritas sowie die Aktion Neue Nachbarn, für die Isabel Heinrichs hier berich­tet:

Mit bewegenden, eindringlichen Worten gab Susanne Rabe-Rahman, Leiterin der Perspektivberatung des Caritasverbandes für die Stadt Köln e.V., die unfassbaren Schilderungen der Erniedrigung von Menschen wieder, die bei ihr in der Beratung von ihren Erfahrungen an den europäischen Grenzen berichteten: in Serbien, an der griechisch-türkischen Grenzen, mitten im Mittelmeer…

Die Ausstellung im Klarissenkloster

25 Interessierte kamen zur Midissage der Ausstellung am 22.02. am späten Nachmittag ins Klarissenkloster in Kalk. In entspannt-gespannter Atmosphäre lauschte das Publikum den Erfahrungen von Susanne Rabe-Rahman, bzw. ihrer Klient*innen und hörte auch den dringlichen Appell an die europäischen Staaten und Europa selbst: wie kann es Europa, wie können wir es zulassen, dass Menschen, Frauen, Kinder, Gebrechliche, Vulnerable, Schwangere, Männer, an Europas Grenzen körperliche und seelische Gewalt durch Behörden der jeweiligen Staaten, Bedrohung ihrer Existenz, Bedrohung ihres Lebens und das ihrer Angehörigen erleiden müssen? „Nur“, weil sie auf der Suche nach einem besseren Leben sind und obwohl sie bereits durch wochen-, monate-, jahrelange Flucht aus ihrem Heimatland geschwächt, hilflos, bedrängt sind?

© K. Aleksieva, Caritasverband für die Stadt Köln e.V.

Der Appell rüttelt auf und spricht sich aus gegen die ungerechte und unmenschliche Behandlung an den Außengrenzen der EU, gegen unnötiges Sterben von (bis zum Jahre 2023) 30.000 Menschen im Mittelmeer, v.a. vor den Augen und durch aktives Zutun der sogenannten grenzschützenden europäischen Organisa­tionen wie Frontex, gegen Aufrüstung dieser Organisationen, für ein Einstehen für das Leben so vieler.

Susanne Rabe-Rahman
© U. Thomas, Caritasverband für die Stadt Köln e.V.

Im Anschluss kamen die Engagierten noch einmal in einer Diskussion zu Möglichkeiten, die wir hier haben, und tauschten sich in kleinen Gruppen bis später am Abend aus. Die Möglichkeit, sich die Ausstellung in Ruhe anzusehen und bei Getränken und Snacks zu verweilen, nutzten alle.

In der Melanchthon-Akademie
© A. Wuttke, Willkommensinitiative hallo in sülz

Am 24.02. wurden fünf der Rollups aus der Ausstellung im Rahmen des Zwischen.Zeit.Raums in der alten Melanchthon-Akademie in der Kölner Südstadt in einem eigens dafür eingerichteten Raum gezeigt. Viele Menschen kamen vorbei und ließen die Bilder und Texte über die Pushbacks, über die Grenzsituation in Bihać, Bosnien, über die Situation junger, flüchtender Männer und die Forderungen von EU-Politiker*innen für eine menschenwürdigere und den Menschenrechten entsprechende Umgangsweise an den Außen­grenzen der EU auf sich wirken.

Isabel Heinrichs, Integrationsbeauftragte
Aktion Neue Nachbarn – Köln

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Ausstellung „zu haben“

Unsere Ausstellung „Menschenrechte an den Außengrenzen der Europäischen Union – Anspruch und Wirklichkeit“ war 2023 ziemlich ausgebucht. Jetzt ist sie in Köln, bald wahr­scheinlich in Mettmann. Doch danach ist der Ausstellungskalender leer.

Die Ausstellung im Aachener Welthaus

Wenn ihr Ideen habt, sprecht gerne mögliche Veranstalter an – Schulen, kirchliche Gruppen, Initiativen für Geflüchtete – und stellt Kontakt zu uns her: Ausstellung@Aachener-Netzwerk.de

Der Wert der Ausstellung liegt im fünfstelligen Bereich. Um sie zu erarbeiten, zu designen und herzustellen waren wir auf viel ehrenamtliche Unterstützung und einige Sponsoren ange­wiesen. Das Ergebnis lässt sich sehen – und zeigen.

Wir möchten, dass die Ausstellung bundesweit Verbreitung findet. Deshalb halten wir die Gebühren für eine Ausleihe bewusst niedrig – sie dienen ausschließlich der Ergänzung und Pflege der Ausstellungsmaterialien.

Die Ausstellung kann für eine Gebühr von 100 € pro Woche plus Transport(kosten) entliehen werden.

Für Schulen bemühen wir uns, Sponsoren zu finden, so dass wir die Ausstellung ggf. kostenfrei verleihen.

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Unseren Ausstellung in Karlsruhe

Im November-Rund­brief haben wir schon Fotos zu unserer Aus­stellung „Menschen­rechte an den Außen­grenzen der Europä­ischen Union“, die vom 3.11. bis 10.12. 2023 in Karlsruhe zu Gast war, gezeigt. Hier der Bericht von Dorothee Schack dazu:

Das Ausstellungsprojekt des „Aachener Netzwerks für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedensarbeit e.V.“ und der Gesellschaft für bedrohte Völker Karlsruhe, war ab November in Karlsruhe im Kulturzentrum Tollhaus zu sehen.

Das Kulturzentrum Tollhaus setzt sich für freie und offene Gesellschaften ein und ist dem Erhalt des Friedens und der Demokratie verpflichtet.

Auf die dramatische und inakzeptable Situation an den Außengrenzen der Europäischen Union weist die Ausstellung „Menschenrechte an den Außengrenzen der Europäischen Union“ hin Dort wird oft und systematisch gegen die Menschenrechte verstoßen. Da sind einerseits die katastrophalen Bedingungen in den Flüchtlingslagern wie fehlendes fließendes Wasser, fehlende Toiletten und Duschen, was zu mangelhafter Hygiene und zahlreichen Krankheiten führt.

Andererseits geht es auch um die Abschottung der Grenzen mit Stacheldraht und illegalen Pushbacks, wobei die Flüchtlinge nach dem Grenzübertritt von der Grenzpolizei verprügelt, ausgeraubt und mit nichts zurückgeschickt werden. Damit nimmt man ihnen das verbriefte Recht, einen Asylantrag zu stellen. Dieses brutale Vorgehen findet seit Jahren statt, wird immer wieder dokumentiert, aber trotzdem geleugnet. Die Zustände sind überall schlecht. Sei es außerhalb der EU wie in der Türkei, in Libyen und in Marokko, sei es in der EU wie z.B. in Kroatien, Italien oder in Frankreich.

Zur Eröffnung der Ausstellung war am Freitag, 3. November 2023 Dr. Dietmar Köster, Mitglied des Europaparlaments angereist und hielt einen beeindruckenden Vortrag.

Ebenso war die Karlsruher Bürgermeisterin Bettina Lisbach anwesend, die in ihrer Rede die Flüchtlingsproblematik in den Karlsruher Kontext brachte, mit Gedanken, wie die Stadt noch mehr Solidarität zeigen kann. Sorge bereitet ihr, dass die Diskussion zum Thema Asyl, Flucht und Migration nach Deutschland in den Medien und im gesellschaftlichen Kontext zunehmend härter und aggressiver geführt wird.

Taxi Sandanski

Zoe Mayer, MDB, Bündnis 90/Die Grünen kam überraschend auch zur Ausstellungseröffnung. Der Abend wurde von zwei Jazz-Musikern umrahmt, am Piano und an der Trompete.

Die Ausstellung hing dann bis zum 10.12., dem Internationalen Tag Menschenrechte. An diesem Abend waren viele NGOs, die sich für Menschenrechte einsetzen, eingeladen. Alle beteiligten NGOs konnten an ihren Infoständen ihre Arbeit vorstellen.

Es gab Redebeiträge und die Band Taxi Sandanski spielte Balkan- und Weltmusik.

Am internationalen Buffet, an den Ausstellungsplakaten, an den Infoständen gab es jede Menge Begegnung und Austausch.

Am späteren Abend wurde zur Musik der Band eifrig getanzt. Es war ein Fest für die Menschenrechte, trotz aller Schrecknisse, die die Welt gerade erleiden muss.

Kurz-Statements zu ausgewählten Menschenrechtsthemen

Es gab verschiedene kurze Wortbeiträge zur Lage im Iran, zum Recht auf Kriegsdienst­verweigerung, zur Situation in Bosnien nach der Wahl, zu den chinesischen Genozidverbrechen in Ost-Turkestan und in Tibet, zu den unmenschlichen Bedingungen geflohener Menschen an den Außengrenzen der EU.

Dorothee Schack

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Benefiz-CD mit Orgelmusik

Der Aachener Organist Lutz Felbick war Organisator eines Sowjetisch-Amerikanischen Orgelfestes, welches vom 3. bis 10. Juni 1989 in der Aachener Dreifaltigkeitskirche stattfand. Ein Jahr später war er zum Gegenbesuch in Kiew/Kyiv, wo er in der St. Nikolaus-Kathedrale die Werke dieser CD auf der dortigen Orgel spielte. Digital nachbearbeitet durch Jürgen Müller vom Aachener Pink Noise Studio liegen nun 5 Werke von J. S. Bach, J. Alain, F. Mendelssohn-Bartholdy und M. Reger in der gemeinsam mit dem Aachener Netzwerk herausgegebenen CD vor.

Der Netto-Erlös fließt in die Ukraine-Projekte des Aachener Netzwerks, z. B. Hilfsgütertrans­porte, Wasseraufbereitungs- und Brennstoff-Brikettieranlagen.

Den Vertrieb der CD übernimmt die Firma LUXaries Records des Aachener Musikers Heribert Leuchter zu einem Preis von 16 € (plus 3 € Versand).

Nähere Angaben unter Orgelmusik aus Kiew.

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Heftige Monate in Nordfrankreich
für Geflüchtete in Dunkerque, Calais
und Boulogne-sur-Mer

Die vergangenen Monate gehören, seitdem ich die Entwicklungen in Calais verfolge, zu den schlimmsten. Es ist nicht so, dass sich die Lebensumstände durch politische oder administrative Eingriffe plötzlich grundlegend verändert hätten. Aber indem eingeübte Routinen einfach weitergingen, obwohl es bei sinkenden Temperaturen über Monate hinweg fast ununterbrochen regnete, wurde Nässe zu einem massiven Problem. Im Hinterland der Küste wurden Dörfer überschwemmt, da der Boden keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen konnte. Zwar lagen die Camps nicht im Katastrophen­gebiet, doch war auch ihr Boden dauerhaft durchnässt, stand teilweise unter Wasser oder verwandelte sich in tiefen Morast. Weil aufgrund der Witterung nur wenige Boote die riskante Überfahrt nach Großbritannien versuchten, nahm die Zahl der Menschen, die unter diesen Bedingungen lebten und warteten, zeitweise stark zu.

Mehrsprachiges „Safety at sea“-Flugblatt

Im vergangenen Jahr gelang es knapp 30.000 Menschen, in Schlauchbooten überzusetzen. Es dürfte bekannt sein, dass die Passage hoch riskant ist. Die in der Regel von kommerziellen Schleusern importierten und organisierten Schlauchboote waren im vergangenen Jahr mit etwa 50 Personen stark überladen. Im Jahr 2022 hatten mehr als 45.000 Menschen übergesetzt, und die Zahl der Personen pro Boot lag bei rund 40.

Wasser- und Waschstelle im Jungle von Loon-Plage

Der wichtigste Ausgangspunkt dieser Passagen ist der Jungle von Loon-Plage in der Nähe von Dunkerque. Bei einem Besuch Ende November lebten dort schätzungsweise 2.000 Menschen im völlig durchnässten Gelände. Der Jungle ist nicht ein einzelnes Camp, sondern besteht aus einer Vielzahl von Zeltgruppen, einer „shop area“ mit kommerziellen Verkaufsständen und Imbissen und einer „distribution area“, wo lokale NGOs kostenlose Mahlzeiten, medizinische Notversorgung oder andere Hilfestellungen anbieten. Der Jungle erstreckt sich inzwischen über ein weites Areal aus Brachflächen, Gebüschen und Wiesen, dazwischen einige Gewerbebetriebe. Immer wieder sind um­gepflügte Flächen zu sehen, in deren Boden Reste von zerfetzten Planen und kaputten Textilien stecken. Hier wurde der Boden nach Räumungen aufgebrochen, damit keine Zelte mehr aufgestellt werden können – eine in den vergangenen Jahren gängig gewordene Praxis. Räumungen finden in Loon-Plage unregel­mäßig statt, manchmal einmal im Monat, manchmal mehrmals. Ende November kam es das erste Mal zu einer aufwändigen Simultanräumung der wichtigsten Camps in Dunkerque und Calais. Danach entsteht der Jungle an anderer Stelle neu, verbleibt aber ungefähr im selben Gebiet.

Viele Bewohner*innen verbringen in dem von Schleusern kontrollierten Jungle die letzten Nächte vor ihrer Überfahrt mit dem Schlauchboot. Manchmal sieht man, wie eine Gruppe von mehreren Dutzend Menschen abgeholt wird und losgeht. Das Ablegen der Boote geschieht jedoch häufig nicht an der wenige Kilometer entfernten Küste, sondern in der Umgebung der 70 Kilometer entfernten Stadt Boulogne-sur-Mer. Von dort ist die Strecke nach Großbritannien zwar weiter, doch gilt der dortige Küstenabschnitt trotz starker Präsenz von Polizei bzw. Gendarmerie als weniger massiv überwacht als das Gebiet um Dunkerque und Calais. In und um Boulogne-sur-Mer haben sich bislang keine Camps gebildet, doch ist dies nach Einschätzung lokaler Akteure vielleicht nur eine Frage der Zeit. Scheitern Überfahrten im Seegebiet vor Boulogne-sur-Mer und werden die Menschen durch die französischen Rettungskräfte geborgen, werden sie in den dortigen Hafen gebracht und allenfalls notdürftig versorgt. Eine lokale Initiative, Osmose 62, kümmert sich um sie, wenn sie das Hafengelände in Richtung Bahnhof verlassen, um zurück nach Dunkerque (seltener auch nach Calais) zu fahren, um es später erneut zu versuchen. Nicht selten sind die Menschen gezwungen, nach einer erlebten Havarie am Bahnhof zu übernachten. Diese Interaktion zwischen Loon-Plage/Dunkerque und der Region um Boulogne-sur-Mer hat sich in den vergangenen ein bis zwei Jahren stark herausgebildet.

Camp „Old Lidl“

Anders die Situation in Calais. Die Camps sind, wie seit Jahren, kleiner als in Loon-Plage und verteilen sich auf mehrere Standorte im Zentrum und am Stadtrand. Entlang der historischen Quais in der Innenstadt wurden vor etwas mehr einem Jahr flächendeckend Steinbrocken verteilt, um das Aufstellen von Zelten zu verhindern – ein völlig grotesk wirkendes Zeugnis antimigrantischer Politik in einer Stadt, die mit aufwändigen Projekten um Tourist*innen wirbt. Das größte Camp von Calais, genannt Old Lidl, war Ziel der erwähn­ten Simultan­räumung Ende November 2023.

In den Calaiser Camps leben vor allem Menschen, die nicht das Geld für eine Boots­passage haben oder aus anderen Gründen davor zurückschrecken. Nach wie vor räumen Polizei und Gendarmerie die Camps im Abstand von 48 Stunden, wobei ein Konvoi aus Einsatzfahrzeugen mehrere Standorte nach­einander anfährt. Diese Routine ist vor allem Schikane; sie erzeugt Stress und Unsicherheit, zusätzlich werden Zelte, Schutzplanen und persönliche Dinge beschlagnahmt bzw. vernichtet.

Immer wieder kommt es im Küstengebiet zu Todesfällen, teils auf See oder im Zusammen­hang mit einer Bootspassage, teils an Land oder im Zusammenhang mit einer Passage per Lastwagen oder Zug. Seit der Jahrtausend­wende sind rund 400 Todesfälle dokumentiert. In den vergangenen Monaten häuften sich tödliche Ereignisse jedoch so stark wie seit 2015/16 nicht mehr.

Die Serie der Todesfälle begann mit einer Havarie am 12. August 2023, bei der sechs Menschen aus Afghanistan ertranken, die aus dem Jungle von Loon-Plage aufgebrochen waren. Im September wurde ein Mann aus dem Sudan auf einer Autobahn südlich von Dunkerque tödlich verletzt, ein Mann aus Sri Lanka wurde ertrunken in einem Schifffahrts­kanal in der Nähe des Jungle von Loon-Plage gefunden, eine Frau aus Eritrea starb beim Ablegen eines Schlauchboots bei Calais und ein Mann wurde in Calais von einem Zug erfasst, vermutlich beging er Suizid. Im Oktober ertrank ein Eritreer bei einer Bootspassage nahe Boulogne-sur-Mer, sein Alter wird mit 18 angegeben. Im November wurde ein Mann aus Vietnam von einem Zug erfasst und getötet, in Calais starben zwei Männer nach gewalttätigen Auseinander­setzungen, ebenfalls in Calais fuhr ein Fahrzeug in eine Gruppe von Geflüchteten und tötete drei türkische Männer; am 22. November starben zwei Eritreer bei einer versuchten Bootspassage bei Boulogne-sur-Mer, ein drittes Todesopfer wurde später gefunden. Im Dezember wurde ein Geflüchteter auf einem Bahngelände des Kanaltunnels durch einen Stromschlag getötet, zwei weitere Menschen starben bei zwei unterschiedlichen Bootspassagen am 15. Dezember, zwei weitere werden seither vermisst und dürften kaum überlebt haben; ebenfalls im Dezember nahm sich ein früherer Bootspassagier in einer britischen Massenunterkunft, dem Schiff Bibby Stockholm, das Leben. Von Mitte Dezember bis Mitte Januar setzten wetterbedingt keine Boote über. Als die Passagen wieder einsetzten, starben bei Boulogne-sur-Mer fünf Menschen während eines Ablegemanövers bei eisigen Wassertemperaturen; im selben Monat wurde in Calais die Leiche eines von der Ladung zerquetschten Mannes in einem Lastwagen entdeckt. Im Februar wurde ein Mann bei Dunkerque, mutmaßlich im Zusammenhang mit Schleusungen, erschossen. Der vorläufig letzte Todesfall ereignete sich am Gare du Nord in Paris: Ein Geflüchteter erlitt auf dem Dach eines Eurostar-Zugs einen Stromschlag.

Steinschüttungen gegen Camps in Calais

Diese Häufung der Todesfälle ist brutal, und die Ursachen sind komplex: Sie lassen sich nicht auf das Geschäftsgebahren von Schleusern reduzieren, wie es in politischen Debatten gern geschieht. Denn neben Todesfällen bei kommerziellen Schleusungen stehen solche von Menschen, die die Grenze ohne Schleuser überschreiten wollten – in einem Laster oder auf einem Zug –, während andere Opfer von Gewalt wurden oder sich selbst das Leben nahmen. Häufig spielen die physischen Bedingungen in den Camps eine Rolle. Und nicht zuletzt wurde deutlich: Die 2023 noch einmal massiv aufgestockten britischen Investitionen in die Überwachung der Küste, ihres Hinterlands und der Lieferwege der Boote haben die Risiken erhöht: Mehr Menschen befinden sich auf weniger Booten, deren Ablegen unter stärkerem Zeitdruck erfolgt und damit vor allem in der kalten Jahreszeit viel riskanter geworden ist.

Aktuelles und Hintergründe hierzu unter https://calais.bordermonitoring.eu/.

Dr. Thomas Müller

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