Interview: Detlef Monjean

Detlef Monjean von der Dürener „Monjean Trans­porte GmbH & Co. KG“ und seine Frau Corinne Keruzec übernahmen im Fe­bru­ar 2020 den Hilfs­transport nach Bihac – im Interview erzählt Detlef Mon­jean, der das Unter­nehmen zu­sammen mit sei­nem Bruder Michael leitet, von den Erleb­nissen unterwegs und am Ziel.

Andreas Kossmann (AK): Wie war Ihre Fahrt des Hilfstransporters nach Bosnien?

Detlef Monjean (DM): Nach der Beladung in Aachen sind wir von dort zunächst zum Zoll, was beides reibungslos ablief. Allerdings mussten meine Frau und ich direkt zu Beginn unsere Pläne ändern und sind erst montags, 10. Februar, statt sonntagabends losgefahren. Es war das Wochenende mit dem sehr starken Sturm „Sabine“. In Düren sind wir auf die Autobahn aufgefahren und vor der nächsten Ausfahrt bei Kerpen direkt wieder abgefahren, da überall umliegende Bäume den Weg säumten. Wir sind dann weiter über Land gefahren, eigentlich sehr unspektakulär. Für mich als Transportunternehmer keine große Aufregung. Ungewöhnlich für uns war aber, dass es an der bosnischen Grenze eine Ver­zollung gab, was man ja eigentlich in Europa nicht mehr kennt.

AK: Wie muss man sich das vorstellen?

DM: Bei der Einfahrt von Kroatien nach Bosnien erstmals wieder mit einem Fahrzeug richtig kontrolliert zu werden, war schon aufregend. Dabei wussten wir beim Warten nicht, ob uns Dirk Planert an der Grenze em­pfängt. Ich bekam seine Nachricht, dass ich mich melden solle, wenn wir bei der Ver­zollung an­gekommen sind. Gleichzeitig kam von Helmut Hardy die Nachricht, dass ich bei der Einfahrt nicht zum abgesprochenen Spedi­teur sondern zu einem anderen Spe­diteur gehen sollte – den Namen weiß ich nicht mehr. Beide Spediteure saßen im Flur genau gegenüber und deutsche Fahrzeuge sind dort eher selten. Eine Elvira wurde mir dann zugeordnet, die mich darauf verwies für zwei bis drei Stunden Kaffee trinken zu gehen, sie wisse über alles Bescheid und ich bräuchte nichts zu bezahlen.
Entladen in Bihac

AK: Das klingt durchaus alles sehr spannend…

DM: Ja, das fand ich auch ein bisschen komisch, obwohl irgendwann später sagte mir jemand „das ist Balkan, da bist du nicht mehr mitten in Europa“. Ungewohnt fanden wir auch, dass in den Büros überall geraucht wurde, eine Ziga­rette nach der anderen. Während wir warteten kamen Dirk und Zlatan beim Zoll an und Dirk fragte mich, ob ich das Geld für die Verzollung hätte. 1.600 Euro sollte ich dabei haben, davon wusste ich aber nichts. Auch Helmut Hardy wusste nichts davon, dass der Betrag bar mitzuführen sei und ich sollte es dann vorstrecken. Allerdings wurde dann auch die Suche nach einem Geldautomat noch einmal spannend. Dirk Planert fuhr mich zu einer Tankstelle in Bosnien, am dortigen Geldautomat funktionierten aber meine Karten überhaupt nicht. Dirk zog dann das Geld mit seiner Karte, ich wusste auch nicht, warum ich das zunächst machen sollte.

Das Geld musste in einem zugeklebtem Briefumschlag an den Spediteur beziehungs­weise dieser Elvira vom Verzoller wo ich eigentlich nicht hingehen sollte, übergeben werden und die Quittung sollte später folgen. Dieses Erlebnis am bosnischen Zoll war irgendwie die bemerkenswerteste Episode unserer Fahrt. Bei der Ausreise aus Kroatien wurden nur die Frachtbriefe „Humanitäre Güter“, unsere Papiere und das Fahrzeug kontrolliert. Die europäische Ausfuhr war ja bereits beim Zoll in Aachen erledigt. In Bosnien wurden zwei bis drei Kartons andeutungsweise angeschaut, mehr ein Müssen als ein Wollen, dann wechselten noch Zigaretten den Besitzer und danach konnten wir weiterfahren. Die Zollabfertigung zwischen Kroatien und Bosnien hat mit allem Drum und Dran drei bis vier Stunden gedauert.

AK: Und dann wurde der Transport in Bihac empfangen?

DM: Nach nur zehn bis 15 Minuten kamen wir in eine Wohn­siedlung vor Bihac. Über die Hebe­bühne wurde hier mit einem Hub­wa­gen entsprechend ab­geladen und die Hilfsgüter in ein Lager gebracht. Das wurde auch in einem Video festgehalten. Zlatan, Dirk und zwei junge Frauen halfen uns hier. Es gab viel Lob wie gut und sauber die Hilfsgüter verpackt waren. Man konnte Dirk durchaus an­sehen, dass er auch schon mal von anderen Ware bekommen hatte, die wohl mehr zum Entsorgen war.

AK: Haben Sie denn vor Ort auch einiges über die Leute erfahren kön­nen?

DM: Wir gingen im Anschluss zu einem gemeinsamen Essen in einem Restaurant, wieder ungewohnt mit Zigaretten und extrem lauter Musik. Diese gab uns keine Mög­lichkeit der Kommuni­kation. Das war für uns sehr schade, wir hätten gerne einiges Interessantes von den Leuten erfahren. Super klasse engagiert war auch Helga Lenz aus Lübeck, sie übernahm während ihrer wohl einwöchigen Anwesenheit die Belieferung der Leute.
Danach sind wir zu zwei „Spots“ gefahren, wie Dirk Planert es nannte, darunter ein im Krieg zerbombtes Haus mit sieben bis acht Leuten, hier haben wir Jacken, Hosen, Schuhe und Decken verteilt und Dirk hatte noch Kisten mit Lebensmitteln dabei. Mit den Leuten im Haus wollte ich nicht tauschen und ich bin auch nicht hinein gegangen, das passte für mich nicht. Wir kamen mit rund zehn Leuten dort an, das wäre zu überfallartig gewesen.
Wir möchten gerne helfen und deshalb haben wir auch den Transport übernommen. In Düren repariere ich für Menschen aus verschiedenen Ländern Fahrräder, meine Frau hilft Leuten zum Arzt oder zum Amt zu gehen und so weiter. Natürlich war es auch ein bisschen Neugierde zu sehen, wie es Flüchtlingen auf ihrem Weg ergeht. Daher ist es auch ärgerlich, dass es unmöglich war, sich im Restaurant zu unter­halten. Dieses zer­bombte Haus lag direkt an einem Grenzfluss und man konnte Kroatien von hier aus sehen.
Der zweite „Spot“ war nur einige hundert Meter von dort entfernt. Es war die Baracke eines Fußball­platzes, wo auch einige Leute lebten. Auch diese Menschen wurden entsprechend ausgestattet. Hier hatte Dirk noch einen Ofen dabei, damit kein offenes Feuer mehr gemacht werden sollte. Auch dieser war vom Aachener Netzwerk bezahlt worden. Hier waren wir noch näher am Fluss dran, die vermeintliche Freiheit zum Greifen nah. Dieser Fluss von schätzungs­weise 15 Metern Breite sollte normal ja kein Hindernis sein, aber die Grenzen werden mit Wärmebildkameras abgeflogen und dadurch ist man sehr genau informiert, wenn die Leute flüchten wollen. So wurde es mir zumindest erzählt. Leute aus den „Spots“ sind kurz davor über die Grenze zu gehen. Dirk und die Flüchtlinge nannten das „Game“ oder „gaming“. Für mich scheinen diese Begriffe etwas makaber. Vielleicht muss man etwas länger vor Ort sein, um das genauso zu sehen oder sagen zu können!?

AK: Wie lange war denn Ihr Aufenthalt in Bosnien?

DM: Wir sind am selben Abend noch zurück gefahren, da ging der Spießrutenlauf aber erst richtig los. Das Auto wurde beim Grenzübertritt zwei Mal gefilzt. Auf und unter der Ladefläche und in der Kabine, ob irgendwo Flüchtlinge im Transporter wären. Das war bei allen LKWs so, also nicht nur speziell bei uns. Schon die Ein­reise nach Kroatien dauerte erneut zwei­ein­halb Stunden, beide Länder haben akri­bisch kontrol­liert. Mit Wärmebildkameras und irgend­welchen Gasmessern. Obwohl ein leeres Fahrzeug eigentlich übersichtlich ist. Dieses wurde auch gewogen und es wurde diskutiert.
Über welche Strecke sind Sie denn gefahren?
Wir sind über Passau nach Österreich, an Graz vorbei, über Slowenien und Kroatien nach Bosnien gefahren. Wir haben keine Zwischenübernachtung gemacht, es gab nur einen kurzen Schlaf in Österreich in der LKW-Kabine. Da hatte uns der Schnee zu einer Pause gezwungen, ansonsten verlief die Rückfahrt bis auf die Grenzübertritte problem­los.

Über unsere fleißigen Helfer kann man sich im Internet auf www.monjean-transporte.com bzw. www.facebook.com/Monjean-Transporte informieren.