Rundbrief 55 – März 2025

Inhalt:

Viele Gelegenheiten

Unsere Mitgliederversammlung gab uns viele Gelegen­heiten:

Natürlich die Gelegenheit zu einem kritischen Rückblick und ebenso einen Anlass, voraus zu schauen. Aber auch die Chance, sich wieder persönlich auszutauschen.

Nach den vielen Plena, die im wesentlichen digital stattfanden, haben wir spontan das gemütliche Beisammensein dem Blick nach vorne vorgezogen.

Natürlich gibt es trotzdem Planungen für 2025 – die wir hier nochmal vorstellen. Und die wir sicher noch ergänzen werden. So wie wir immer spontan auf aktuelle Gegebenheiten und Chancen reagieren.

Das alles geht nicht ohne euch! Deshalb:

Danke für eure Unterstützung!

Dirk, Giana, Helmut, Julia und Mujo – Der Vorstand des Aachener Netzwerks

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Mitgliederversammlung 2025

Am 15. März fand unsere jährliche „ordentliche“ Mitgliederversammlung statt. 12 unserer Mitglieder versammelten sich pünktlich um 15 Uhr in unserem Raum im Welthaus. Der 13. war aus Ungarn zugeschaltet. Weitere 14 hatten sich entschuldigen lassen.

Nach der Begrüßung wurden die Formalia geklärt: Wer schreibt Protokoll? Ralf Wupper­mann, danke! War das Protokoll der letzten Mitgliederversammlung korrekt? Ja. Wurde ordnungsgemäß und fristgerecht eingeladen? Jawohl! Gibt es Ergänzungen oder Einwände zur Tagesordnung? Nein.

Den darauf folgenden Rechenschaftsbericht des Vorstands habt ihr schon im letzten Rundbrief lesen können.

Dirk Tentler berichtet über die Kasse vom 01.01.2024 bis zum 31.12.2024. Größte Ausgabenposten waren die Ukraine mit 34.000 €, HEJ und Bina Mira mit je 16.000 € sowie die Unterstützung von SOS Bihać mit 6.600 €.

Rainer Gerlach stellte fest, dass bei der Kassenprüfung durch ihn und Christoph Kampschulte eine ordnungsgemäß geführte Kasse vorgefunden wurde.

Ralf Wuppermann leitete die Versammlung bei der Entlastung des Vorstands, die genauso einstimmig erfolgte wie die Wiederwahl der beiden Kassenprüfer.

Nachdem Helmut die Planungen für das Jahr 2025 vorgestellt hatte (siehe nächster Artikel), wurde die Versammlung offiziell beendet und das Buffet eröffnet.

Helmut Hardy nach dem Protokoll von Ralf Wuppermann

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Planungen für das Jahr 2025

Für das Jahr 2025 gibt es einige Ideen, einige Planungen und ein paar Termine von außerhalb. Flexibel wie wir sind, wird sich sicher noch einiges ergeben. Was liegt an?

Infostände

Am Sonntag, 18. Mai, ist „Aachen zeigt Engagement“ im Stadtpark, 10:30 – 18:00 Uhr
Einen Monat später knubbelt es sich. Am Samstag, 21. Juni, ist das „Lothringair“ in der Lothringer Straße, 14:00 – 22:00 Uhr.
Schon am nächsten Tag, Sonntag, 22. Juni, ist das „Multi-Kulti-Fest“ im Kennedypark, 12:00 – 19:00 Uhr.
Am Samstag danach, 28. Juni, ist das Weltfest im und am Welthaus, 14:00 – 18:00 Uhr.

Veranstaltungen

Neben der Kunstauktion planen wir drei Veranstaltungen:
Am Sonntag, 25. Mai 2025, ist der 30. Jahrestag des Massakers von Tuzla. Heinz Jussen liest am nächsten Tag, Montag, 26. Mai, um 19:30 Uhr in der Buchhandlung „Schmetz am Dom“ aus seinem Buch „Suada“.
Zum Weltfest am Samstag, 28. Juni, haben wir den bosnischen Botschafter Dr. Damir Arnaut eingeladen, der gegen 15 Uhr über den Bosnienkrieg und seine Folgen bis heute referieren wird.
Am Freitag, 11. Juli 2025, ist der 30. Jahres­tag des Massakers von Srebrenica. Wir haben den Journalisten Dirk Planert eingeladen, aus seinem in Arbeit befind­lichen Buch zu lesen und Bilder daraus zu zeigen.

HEJ / Spielplatzbau

Zusammen mit den Chaos-Kids werden wir in den Osterferien, 11. – 20. April, einen weiteren Spielplatz bauen, dieses Mal im bosnischen Travnik.

Bina Mira

Bina Mira soll auch dieses Jahr wieder statt­finden, und zwar im September in Zrenjanin (Serbien).

Flame for Peace

Der geplante Lauf von Brüssel nach Lviv ist ein überzeugendes Projekt. Was wir dazu dringend brauchen, ist ein engagierter Mensch, der Polnisch spricht und und bei dem weiten Weg durch Polen hilft.

Kunstauktion

Auch 2025 wird es wieder eine Kunstauktion geben. Schirmherrin ist wieder die Aachener Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen.
Die Vorbereitungen sind schon im Gange und die ersten Künstler*innen haben sich schon angemeldet. Begleitet wird die Auktion von einer einwöchigen Ausstellung der Kunstwerke. Die Vernissage dazu wird am Sonntag, 2. November 2025, um 15 Uhr beginnen. Von Montag, 3. 11., bis Samstag, 8. 11., jeweils 15 bis 20 Uhr, ist die Ausstellung geöffnet.
Am Sonntag, 9. November, wird der Auktionator Benjamin Fleig um 15 Uhr mit seiner Feuer­wehrglocke den Bieterwettbewerb eröffnen.

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Crossover – Serbien trifft Ukraine

2023 war Bina Mira zu Gast im serbischen Šid. Cvetin Anicic war damals Projektkoordinator. Aber er ist auch selbst Künstler. Er ist Puppenspieler mit 25 Jahren Erfahrung. Mitte Februar war er zu Gast in Aachen. Und spielte vor deutschen und ukrainischen Kindern.

In seinem Koffer hatte er ein neues Kindertheaterstück, das eine Geschichte über den Stinki – ein Stinktier, welches sich nur ungern die Zähne putzt und deswegen Mundgeruch hat – erzählt.

Und so haben Julia und Giana ganz spontan zwei Aufführungstermine organisiert.

Der erste fand freitags im Welthaus im Raum des Aachener Netzwerks statt und der zweite am Samstag in Richterich für die Kinder der Ukrainischen Schule.

Vor der Theateraufführung am Freitag fand ein kleiner Workshop statt.

Die Kinder haben kleine Puppen aus Papier gebastelt – die Ergebnisse waren großartig und sehr lustig.

Das Theaterstück über den Stinki sorgte für große Begeisterung bei den Kindern, wie man auf den Fotos sehen kann.

Alle Kinder wollten mit Stinki kuscheln oder ihn zumindest anfassen. Und das hat Cvetin ihnen auch ermöglicht.

Wir vom Aachener Netzwerk sind ganz glücklich darüber, dass wir so ein Programm für alle Kinder aus Aachen und Umgebung anbieten konnten, und auch darüber, dass diese URAUFFÜHRUNG ein voller Erfolg war.

Wir werden bemüht sein auch in der Zukunft solche Angebote für Kinder und Jugendliche zu schaffen.

Giana Haass und Julia Shporina

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Kunstauktion 2025

Seit drei Jahren versteigern wir Kunstwerke be­freundeter Künstlerinnen und Künstler. Im Laufe der Jahre waren fast 100 Künstler*innen beteiligt und jedes Mal hatten wir über 70 Kunstwerke im Angebot.

Gleiches Team, gleicher Ort, … – fast alles bleibt gleich:
– Sibylle Keupen übernimmt auch in diesem Jahr wieder die Schirmherrschaft.
– Galerist Benjamin Fleig leitet die Auktion.
– Die ehemalige WDR-Moderatorin Angela Maas führt wieder durch das Programm.
– Wir fangen wieder mit einer Vernissage an.
– Danach folgt eine einwöchige Ausstellung.
– Die Auktion bildet, wie immer, den Abschluss und Höhepunkt der Kunstwoche.
– Der Ausstellungsraum im (alten Straßen­bahn-)Depot in der Talstraße bildet den Ort der Handlung.

Lena Krashevka - Reflection #3

Aber etwas ändert sich auch: Um die Auktion interessanter und spannender zu gestalten, werden wir dieses Jahr nur 25 Kunstwerke versteigern.

Alle anderen Kunstwerke werden wir während der Ausstellung zum Festpreis verkaufen.

Nur: Wer sind wir zu entscheiden, welches Werk wir versteigern und welches wir „nur“ in der Ausstellung verkaufen?

Für diese Aufgabe haben wir eine hochkarätige Jury gewinnen können:
– Dr. Annette Lagler, bis Ende 2022 stellv. Direktorin des Ludwig Forums für Internationale Kunst
– Benjamin Fleig, unser Auktionator, ehemaliger Künstler, Galerist, Kulturmanager, Gestalter, Moderator und Redner
– Dr. Dirk Tölke, Kunsthistoriker und Dozent an verschiedenen Hochschulen

Ihr könnt die Entwicklung auf unserer Webseite verfolgen.

Tragt euch die Termine bitte schon mal in den Kalender ein:
Vernissage:
Sonntag, 2. November 2025, 15 Uhr
Ausstellung:
Montag bis Samstag, 3. – 8. November 2025, jeweils 15 bis 20 Uhr
Auktion:
Sonntag, 9. November 2025, 15 Uhr
Ort:
Depot Talstraße, Ausstellungsraum im 1. OG, Talstraße 2, 52068 Aachen

Helmut Hardy

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Die Zelte sind da

Im letzten Rundbrief haben wir darüber berichtet, dass das uns das Refugee Women’s Centre (RFC) um Hilfe gebeten hat. Sie wollten 420 Zelte kaufen, um sie in Calais und Dünkirchen an Menschen auf der Flucht zu verteilen.

Durch die Unterstützung des Aachener Netzwerks (bzw. durch eure Spenden) konnte das RFC die Zelte bestellen – und Mitte März sind sie angekommen.

Und wer jetzt denkt, mit 420 Zelten kommen sie weit, der hat sich getäuscht. Denn das RFC hat im ersten Quartal 2025 fast 400 Zelte verteilt. Familien sowie Frauen oder Väter mit Kindern haben von ihnen nicht nur Zelte gegen kalte Nächte und für etwas Privatsphäre bekommen, sondern auch Hygieneprodukte und Kleidung.

Mit „unseren Zelten“ konnten die Lager­bestände wieder aufgefüllt werden.

Shanice D’Silva vom RFC schrieb uns Mitte März: „Dank der großartigen Unterstützung des Aachener Netzwerks konnte das RWC 420 Zelte anschaffen. Davon sind 140 Zelte für ein oder zwei Personen und 280 Familienzelte für bis zu vier Personen. Dank Ihrer Hilfe können wir in den nächsten Monaten so über 1.000 Menschen mit Zelten versorgen.“

„Wie immer sind wir für die Unterstützung unserer Spender äußerst dankbar und möchten die Menschen dazu ermutigen, auf die Situation der Menschen auf der Flucht in Europa und insbesondere in Nordfrankreich aufmerksam zu machen, wo das Refugee Women’s Centre seit fast zehn Jahren arbeitet.“ schreibt sie weiter.

Wir freuen uns, dass wir das RFC unterstützen konnten – und werden die Kooperation sicher fortsetzen.

Denn die Lage der Flüchtlinge in Calais ist nach wie vor schrecklich. Shanice schreibt: „Leider können wir nicht jedem ein Zelt geben können. In den Sommermonaten kommen über 1000 Leute zu uns. Es ist nicht einfach, alle zu treffen und ihnen ein Zelt zu geben, zumal sie manchmal am selben Tag wieder aufbrechen.“

Helmut Hardy und Shanice D’Silva

Shanice war vier Jahre in Calais für das Refugee Women’s Centre tätig. Nun kehrt sie zurück nach Schottland, um eine Ausbildung/Diplom mit dem Thema „Beschaf­fung und Lieferkette in der humanitären Hilfe“ zu machen.

Wir wünschen ihr viel Erfolg dabei!

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Wachs und Wolle

Es gibt viele Möglichkeiten, der Ukraine zu helfen. Besonders in Nähe der Front ist die Not oft groß. Deshalb hat das Aachener Netzwerk Anfang 2023 Marmelade und Erdnussbutter in die Ukraine geschickt, hat Mitte 2023 Trinkwasser­aufbereitungsanlagen gekauft und hat Ende 2023 die Aktion „Kohle für Kohle“ gestartet, durch die Mitte 2024 eine Brennstoff­brikettieranlage in Siwersk ankam.

Aber es geht ohne großen Aufwand. Die Aachenerin Birgit Genten zum Beispiel verkauft Kerzen, die sie selber gießt. Dafür sucht sie Reste von Kerzenwachs. Zusammen mit neuen Dochten, die sie kauft, gießt sie dann die neuen Kerzen – wunderschöne, ausgefallene Kerzen.

Diese Kerzen verkauft sie zugunsten von ukrainischen Kriegsvollwaisen, die in Kinder­heimen leben. Fragt uns bei Interesse einfach, zum Beispiel bei den Infoständen des Aachener Netzwerks. Dort könnt ihr auch Kerzenreste abgeben – oder ihr schickt sie einfach an die Vereinsadresse (Aachener Netzwerk, Im Grüntal 18a, 52066 Aachen).

Eine andere Möglichkeit, die Ukraine zu unterstützen, besteht im Sammeln von Wolle und beim Stricken im Rahmen des wöchent­lichen Strickcafés.

So werden aus Wollresten, die irgendwo in der Ecke herum lagen, Strümpfe, Handschuhe und Mützen, die dann über zuverlässige, persön­liche Kontakte in die Ukraine geschickt werden.

Wenn ihr also Wollreste habt, bringt sie gerne vorbei. Entweder an unseren Infoständen, im Aachener Welthaus (An der Schanz 1, 52064 Aachen) oder ihr schickt sie uns per Post (Im Grüntal 18a, 52066 Aachen).

Julia Shporina

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Interview mit Christoph Baumgarten
von Balkanstories.net

Der bekannte Blog Balkanstories.net wurde vor 10 Jahren gegründet. Fast täglich, und das darf man wörtlich nehmen, gibt es dort neue Beiträge über „den Balkan“. Meist auf Deutsch, oft auch auf Englisch. Mal tagespolitisch, mal „Geschichten, die das Leben schrieb“. Aber immer interessant. Wer ist dieser Christoph Baumgarten, der den Blog betreibt?

Helmut Hardy (HH): Erst mal zu dir. Wer bist du?

Christoph Baumgarten (CB): Ich bin Journalist, auch seit mittlerweile 26 Jahren. Ich hab mit 19 angefangen, bin also jetzt 45. Zur Familiengründung bin ich nie gekommen. Manchmal stellt sich nicht die richtige Frau ein, oder vielleicht hab ich sie auch übersehen.

HH: Du lebst und arbeitest in Wien. Warum Wien?

CB: Ganz einfach: Ich bin Österreicher, bin aufgrund der vielen Jobwechsel meines Vaters im halben Land aufgewachsen und zum Studium nach Wien gekommen. Das Studium hab ich berufsbedingt abgebrochen, in Wien bin ich hängen geblieben. Es gibt schlechtere Orte, an denen einem das passieren kann.

HH: Aus den deutschen Medien kennt man dich wenig. Wir haben nur ein paar ältere Artikel in der TAZ gefunden.

Für wen schreibst du und mit welchen Themen beschäftigst du dich?

CB: Ich hab da eine ganz bunte Karriere. Im Archiv des ORF-Landesstudio Niederösterreich müssen noch tausende Radio- und Fernsehbeiträge von mir sein, aber das ist schon lange her. Heute bin ich hauptberuflich bei der Arbeiterkammer Niederösterreich. Das ist die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer, sie existiert parallel zu den Gewerkschaften, als formales Gegengewicht zur Wirtschaftskammer. Das ist eine Lösung, die nur in Österreich existiert, und die Arbeitnehmern und den mit uns ja befreundeten Gewerkschaften größere Mitsprache erlaubt.

HH: Wie kommst du dazu, dich mit dem Balkan zu beschäftigen?

CB: Seitdem ich ein Kind war, hab ich immer auch Freunde aus dem ehemaligen Jugoslawien gehabt. Das zieht sich durch mein Leben. Und vor 20 Jahren dann die ersten Ausflüge, und seit mehr als zehn Jahren verbringe ich meinen gesamten Urlaub auf Balkanreisen. je mehr man die Region kennenlernt, desto mehr liebt man sie, und desto mehr entdeckt man natürlich, was man alles noch nicht weiß.

HH: 2015 hast du dann mit dem Blog „Balkan Stories“ angefangen. Warum?

CB: Ich wollte damals eine Reportage über das gerade frisch wiedereröffnete Nationalmuseum in Sarajevo schreiben, und habe niemanden gefunden, der die Geschichte bringen wollte – oder zumindest nicht in einem Format, das die sehr komplexe Geschichte dahinter sichtbar gemacht hätte. Da dachte ich mir: Mach doch dein eigenes Ding, und erzähl die Geschichten, die sonst in größeren Medien keinen Platz finden.

HH: Wie schaffst du es, von Wien aus immer gut informiert zu sein?

CB: Ich hab natürlich mittlerweile viele Freunden unten, und da weisen mich schon immer wieder Leute auf Dinge hin. Viele Dinge erfahre ich auch, weil ich größeren Medien aus der Region in sozialen Medien folge, und mittlerweile die Sprache zumindest halbwegs verstehe.

HH: 2019 haben wir zum ersten Mal Kontakt gehabt. Damals ging es um Bihac, um Fluchtrouten, …
Wie kamst du zum Thema Flucht?

CB: Auch das ist Kindheits- oder Jugendgeschichte. In den 90-ern haben meine Eltern bosnische Flüchtlinge betreut. Wir Kinder haben natürlich mitgeholfen. Das prägt, und darüber bin ich ganz froh.

HH: Und ist es immer noch eines der Themen der „Balkan Stories“?

CB: Klar. Wenn Menschen flüchten müssen, ist das immer ein Thema. Die machen das ja nicht zum Spaß. Ich komme nicht so viel dazu, mich mit dem Thema zu beschäftigen, wie ich gerne würde, aber ein Auge habe ich immer drauf – auch dank der Infos etwa von SOS Balkanroute.

HH: Wie siehst du die Zukunft der „Balkan Stories“?

CB: Im Moment ist das sehr schwierig. Facebook hat seine Algorithmen wieder mal umgestellt. Externe Links kleinerer Medien werden dadurch noch viel schwerer sichtbarer als früher. Damit will man Medien dazu bringen, in Werbung bei Facebook zu investieren. Das schadet meiner Reichweite bei neuen Geschichten mittlerweile so sehr, dass ich mir echt überlegen muss, ob der Blog noch einen Sinn hat. Wenn man einen Tag oder mehrere Tage an einer Geschichte arbeitet, und dann sehen sie vielleicht 50 Leute, ist das nicht motivierend. Wenn’s nach mir ginge, würde ich gerne nichts anderes tun und vom Blog leben können, vielleicht von Sarajevo aus. So kann ich dank Spenden gerade mal die Fixkosten decken, den Rest finanziere ich aus meinem Brotberuf.

HH: Und wie siehst du Gegenwart und Zukunft des Balkans?
Was sind die Hauptprobleme? Und welche Lösungen siehst du?

CB: Da könnte ich sehr lange darüber reden. Es ist eine Mischung aus Armut, Nationalismus, Korruption und gleichzeitig Improvisierfähigkeit und Überlebenskunst. Leider sind die Menschen der Region im politischen Sinn seit dem Zerfall Jugoslawiens sehr passiv und tendieren dazu, auf Hilfe von außen zu hoffen. Der tägliche Protest gegen die Zustände ist die Auswanderung. Aber wie wir gerade in Serbien mit den Massenprotesten gesehen haben, da scheint eine neue Generation heranzuwachsen, die das so nicht mehr hinnehmen will. Und diese Generation begreift auch, dass der Kampf gegen die Zustände nicht nur im eigenen Land passieren kann, dass es etwas Verbindendes zwischen den Gesellschaften des ehemaligen Jugoslawien gibt, und dass darin auch Kraft steckt. Das macht Hoffnung.

HH: Danke, Christoph, für dieses Interview und dein Engagement!

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