Rundbrief 42 – Juli 2023

Inhalt:

Der Sommer ist da

„Der Sommer kommt…“ hatten wir letztes Mal unser Vorwort überschrieben. Und dachten damit nicht nur an das Wetter, sondern auch an die Sommerpause. Nächste Woche sind die Sommerferien schon vorbei – aber in diesem Rundbrief merkt man wenig von „Pause“.

HEJ hat vor der Sommerpause noch mal gezeigt, was es kann. Sowohl im Tanz- wie im Kreativteil des Projektes konnten sich die Ergebnisse sehen lassen – in wahrsten Sinne des Wortes.

Sehen konnte man auch unsere Ausstellung „Menschenrechte an den Außengrenzen der EU“. Und zwar am Carlo-Schmid-Gymnasium in Tübingen – den dort fangen die Sommer­ferien gerade erst an. Den begeisterten Artikel des Schulleiters im Elternrundbrief haben wir in diesen Rundbrief übernommen.

Der Krieg in der Ukraine beschäftigt uns nach wie vor. Neben mehreren Transporten von medizinischen Geräten, die wir sowieso geplant hatten, haben wir noch vier (kleine) Trink­wasseraufbereitungsanlagen gekauft.

Im letzten Rundbrief hatten wir es schon angekündigt: Die Städteregion Aachen hat Besuch von der bosnischen Delegation der Special Olympic World Games 2023 bekom­men. Fünf Mitglieder des Aachener Netzwerks haben sie mehrere Tage lang begleitet und „interkulturelle Friedensarbeit“ betrieben.

Ebenfalls hatten wir im letzten Rundbrief einen offenen Brief dokumentiert, den wir an den „Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina“ Christian Schmidt geschrieben haben. Sein Verbindungsreferent hat geantwortet und versichert, dass „die Konflikte der Vergangen­heit zusehends durch ein gemeinschaftliches Wirken für das gesamte Land überwunden werden“ müssen. „Diesem Ziel sind auch der Hohe Repräsentant und sein Büro zutiefst verpflichtet.“ Er dankt uns für unser humani­täres und bürgerschaftliches Engage­ment und sieht sich in vielen Punkten mit uns einig. Wir werden die Arbeit des Hohen Repräsentanten weiter kritisch verfolgen.

Einen weiteren Brief haben wir an zahlreiche deutsche und bosnische Politiker geschrieben, um auf ein geplantes Museums zu Ehren der Soldaten der HVO aufmerksam zu machen – Soldaten, die zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.

Der September verspricht sehr arbeitsreich zu werden: Mit Hilfe eines „Social Days“ werden wir einen Hilfstransport nach Calais voran treiben, wir werden den 30. Geburtstag des Aachener Netzwerks feiern und Bina Mira wird zum 14. Mal stattfinden, dieses Mal in Šid in Serbien.

Aber vorher melden wir uns noch mal, versprochen!

Der Vorstand des Aachener Netzwerks

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Wir feiern ein Jahr HEJ

Wie im letzten Rundbrief zu lesen war, ist unsere Sport- und Kreativwerkstatt HEJ im bosnischen Busovača im April ein Jahr alt geworden. Es wurde also Zeit, ein Logo für das Projekt auf den Weg zu bringen. Unsere kleinen und etwas größeren kreativen HEJ-Mitglieder waren die erste und die beste Adresse, um die ersten Ideen zu entwerfen. Sie haben sich schnell in die Arbeit „gestürzt“ und nach wenigen Tagen hatten wir fünf gute Entwürfe. Nachdem die Leserinnen und Leser dieses Rundbriefs ihre Stimmen für den besten Ent­wurf abgegeben haben, ging der ausgewählte Entwurf in die Hände eines Profis, unserer Grafikerin Kristina Sehl, die ihm den Feinschliff verpasste. Damit hat HEJ nun ein Logo bekommen:

Das ist aber nicht alles, was im mittlerweile fortgeschrittenen zweiten Jahr gemacht wurde.

Im Juni haben die beiden HEJ-Tänzerinnen Ilma Aganovic und Amila Koluh beim Junioren-Tanz-Wettbewerb Bolero Dance Open 2023 in Sarajevo als Duo den ersten Platz belegt. Wir gratulieren!

Leider waren die HEJ-Tanzgruppen so mit den Vorbereitungen für Wettkämpfe beschäftigt, dass sie sich nicht aktiv an der im Monat danach stattfindenden Sommerfeier beteiligen konnten.

Die Kinder haben im Mai und Juni unsere zweite Sommerfeier vorbereitet. Am 7. Juli war es so weit. Den zahlreichen Eltern, Freunden und Nachbarn wurde etwas geboten. Es wurde getanzt, geschauspielt, gesungen und rezitiert. Fast fünfzig Teilnehmer haben alles gegeben und wurden dafür mit langem Applaus belohnt.

In ihre stolzen und mit Freude erfüllten Gesichter zu gucken macht immer wieder Spaß und zeigt uns, dass dieses Projekt ein Volltreffer ist. Um so mehr auch, weil hinter dem Namen HEJ die Initialen des Gründers des Aachener Netzwerks stecken: Heinz Emil Jussen. Er hat einen beträchtlichen Teil seinen Lebenswerks Kindern und Jugendlichen gewidmet und HEJ ist ihm gewidmet – und natürlich den Kindern und Jugendlichen.

Mujo Koluh

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Die Ausstellung in Tübingen

Unsere Ausstellung „Menschenrechte an den Außengrenzen der europäischen Union – Anspruch und Wirklich­keit“ war am Carlo-Schmid-Gymnasium in Tübingen zu Gast. Der Schulleiter Rüdiger Hocke schreibt im gerade erschienenen Elternrundbrief:

Von Anfang Juli bis zum Beginn der Sommerferien gastierte im Foyer unserer Schule die Ausstellung „Menschenrechte an den Außengrenzen der europäischen Union – Anspruch und Wirklichkeit“. Die Ausstellung wurde konzipiert vom „Aachener Netzwerk für humanitäre Hilfe und interkulturelle Friedens­arbeit e.V.“ – kurz „Aachener Netzwerk“.

Auf insgesamt 25 thematischen Rollups informierte die Ausstellung sehr anschaulich darüber, wie an den Außengrenzen der EU gegen die Menschenrechte verstoßen wird. Einerseits etwa aufgrund der katastrophalen Bedingungen in den Flüchtlingslagern. Anderer­seits durch die Abschottung der Grenzen mit Stacheldraht und illegalen Pushbacks.

Eröffnet wurde die Ausstellung offiziell am 10. Juli durch Bürgermeisterin Frau Dr. Harsch, Frau Dr. Pacher vom Regierungspräsidium, Herrn Dr. Böhme von Aachener Netzwerk sowie von Frau Drahina. Die Bedeutung dieser Ausstellung, betonten alle Rednerinnen und Redner, liege insbesondere auch in der Sichtbarmachung des Leids, das mit Flucht und Vertreibung einhergeht, sowie dem Anspruch sich für die Wahrung der Menschenrechte in Tübingen, an den EU-Außengrenzen und weltweit einzusetzen. Besonders eindrücklich waren die Worte von Frau Drahina, einer Mutter des Carlos (Anm.: des Carlo-Schmid-Gymnasiums), die persönlich über ihre Erfahrungen von Flucht und Vertreibung berichtete.

Zahlreiche Klassen nutzten für die Dauer der Ausstellung die Gelegenheit, sich im Rahmen des Unterrichts mit den Themen Flucht und Vertreibung, Situation an den EU-Außen­grenzen sowie Menschenrechte zu beschäf­tigen.

Ergänzt wurde die Ausstellung durch eine Podiumsdiskussion zur geplanten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS).

Mit dabei waren die Tübinger Expertinnen und Experten zum Thema Angela Baer vom Arbeitskreis Asyl, Sara Gomes von der Seebrücke Tübingen, MdL Daniel Lede Abal, Ruben Malina vom Asylzentrum Tübingen, Rechtsanwalt Manfred Weidmann, Martin Fink von Fluchtpunkte e.V. und Plan.B sowie Dr. Toni Böhme vom Aachener Netzwerk.

Mit Blick auf den Status Quo des Asylrechts stellten diese die Defizite bei der Wahrung des Asylrechts als Menschenrecht heraus. Konkret machten sie dies unter anderem an der menschenunwürdigen Situation für viele Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen, den tödlichen Flüchtlingsrouten über das Mittelmeer, den illegalen Pushbacks oder der nicht hinreichenden rechtlichen Unterstützung der Flüchtlinge beim Asylverfahren fest.

Weitgehende Einigkeit herrschte unter den Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer jedoch darüber, dass der vorgelegte neue Asylkompromiss des Europäischen Rats die Herausforderungen der Migration nicht bewältigen werde. Das Gegenteil sei der Fall. Als besonders kritisch wurden Fragen der Wahrung unveräußerlicher rechtsstaatlicher Standards der EU bei der Umsetzung des Kompromisses herausgestellt. Die Menschen­rechtslage an den Außengrenzen der EU sei prekär und werde durch den gefundenen Kompromiss voraussichtlich keine wesentliche Besserung erfahren. Wesentliche Zielsetzung des Kompromisses sei hingegen Abschreckung und der Versuch, die EU-Außengrenzen gegenüber Migrantinnen und Migranten abzuschotten.

Mit Hinblick auf die Wertegemeinschaft der EU sei es hingegen notwendig, sich ehrlich zu machen und zu akzeptieren, dass Europa Einwanderung benötige und dass die Wahrung der Menschenrechte unveräußerlich jedem Menschen, auch Flüchtlingen, zustehe.

Wir danken dem Aachener Netzwerk für die Leihgabe der Ausstellung!

Rüdiger Hocke (Carlo-Schmid-Gymnasium Tübingen)
Fotos: Dr. Frieder Haug

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Trinkwasser für die Ukraine

Wie sang Herbert Grönemeyer vor 12 Jahren? Bleibt alles anders!

Das kann man auch über dieses Projekt sagen: Alles wurde anders als gedacht, aber es bleibt alles wie gewünscht. Aber von vorne:

Nach der Sprengung des Dnipro-Staudamms bei Nowa Kachowka am 6. Juni stand ein großer Teil der Region unter Wasser – und in einem noch größeren Teil war die Trink­wasser­versorgung gestört oder gefährdet. Kurz darauf sahen wir einen Spendenaufruf für Chlordioxid-Tabletten, zusammen mit einem Link, wo man sie kaufen kann. Eine Packung mit 120 Wasseraufbereitungstabletten sollte 19,95 € kosten, mit 20 % Ukraine-Rabatt 15,96 €. Mit jeder Tablette kann man einen Liter Wasser desinfizieren.

Geht das billiger, wenn man größere Stückzahlen kauft? Eine Palette? Am 9. Juni haben wir zwei potentielle Lieferanten angefragt und bekamen am 13. Juni ein erstes und am 22. Juni ein weiteres Angebot – auch für Alternativprodukte.

Auf eine Palette passen 6.000 Packungen zu 120 Tabletten, also 720.000 Tabletten – zu einem Preis von 78.420 € brutto. Schluck.

Okay, wenn man die Palette nicht ganz so voll macht, sagen wir: halb voll, sind es immer noch 3.000 Packungen oder 360.000 Tabletten. Klingt gut. Macht 40.800 €. Klingt viel. Zu viel.
Denn parallel haben wir versucht, das Geld „zusammen zu kratzen“. Schon am 14. Juni kam die Zusage für die ersten 5.000 €, am 16. Juni kamen noch mal 1.000 € und am 18. Juni weitere 5.000 €. Ein weiterer größerer Betrag wurde uns zugesagt, steht aber noch aus.

Das ist für uns eine ganze Menge Geld. Und so wurde klar, dass wir keine 40.000 € erreichen würden. Einerseits. Und mehr als 10 Cent pro Liter erscheint echt viel (gerade nachgesehen: Im Supermarkt 13 Cent/Liter – plus Pfand).

Geht das nicht besser?

Parallel bekamen wir über Julia Kontakt zu der ukrainischen Stif­tung SVFoundation und lernten ihren Mitgründer Oleksii Karnaukh kennen, der für uns dann Hauptansprech­part­ner wurde.

Oleksii meinte, es gäbe eine ukrainische Firma, die kleinere Wasseraufbereitungsanlagen herstellt. So kamen wir auf die Firma Ecosoft, die Standorte in der Ukraine, in Deutschland und in Belgien hat. Sie bietet Wasseraufbereitungsanlagen für 2.500 €, aber auch welche für 25.000 € an. Also haben wir wieder unsere „Kunden“ gefragt: „Was braucht ihr?“ Da waren die Tabletten schnell aus dem Rennen, aber auch die größeren Anlagen waren schnell raus. Lieber mehrere kleinere Anlagen, die in mehreren Ortschaften aufgestellt werden. Die Wahl fiel auf die OAZYS-S300. Sie produziert bis zu 300 l/Stunde oder 5000 l/Tag trinkbares Wasser.

Für 12.500 € bekommen wir 4 Anlagen (mit Zubehör), die 20.000 l pro Tag produzieren – in einer Woche also mehr, als wir mit den Tabletten reinigen würden, die wir für den Preis bekommen würden.

Am 21. Juli haben wir den Kaufvertrag unterschrieben und 12.514,80 € überwiesen. Am 25. Juli ist das Geld in der Ukraine angekommen und muss noch von der Nationalbank „abgehakt“ werden. Wenn wir Glück haben, können wir diesen Artikel am 31. Juli noch ändern und Vollzug melden. (P.S.: Ja, das Geld ist am 28. Juli freigegeben worden.)

Und noch etwas haben wir gelernt: Die Region um Cherson, die von der Flut nach der Sprengung des Staudamms betroffen war, hat tatsächlich teilweise Probleme mit Trinkwasser. Aber es gibt Orte, die kriegsbedingt schon viel länger kein Trinkwasser mehr haben – teilweise seit über einem Jahr. Unsere Anlagen gehen deshalb, nach Absprache mit unseren ukrainischen Partnern, nach Siwersk, Tschassiw Jar und Kramatorsk. Mehr dazu in unserem nächsten Rundbrief.

Danke sagen wir an

Oleksii Karnaukh

für die tolle Zusammenarbeit

sowie an die Rotarier Wuppertal-Haspel und Aachen-Charlemagne, die Stiftung Chancen­gleichheit sowie die Firma Lebherz und Partner GmbH für die großzügigen Spenden, ohne die dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre.

Julia Shporina und Helmut Hardy

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Fahrt ins Leben

„Ein super tolles Projekt, dass in die Geschichte eingehen wird!!!“, „Ich habe dieses Projekt unterstützt und bin glücklich dabei gewesen zu sein!“ – man hört, Julia ist begeistert. Aber fangen wir vorne an.

Es fing damit an, dass wir einen Lagerraum brauchten. Einen Lagerraum, um Hilfsgüter für die Ukraine zu sammeln. Mehrere Ukrainer­innen fragten bei nebenan.de, ob jemand in der Nachbarschaft zufällig einen größeren, leer­stehenden Raum hat. Eine alte Lagerhalle, ein (leere) Doppelgarage oder ähnliches. So kamen wir in Kontakt zu der Besitzerin mehrerer Lagerräume in Brand. Einen davon hat sie vor fast 10 Jahren einem Syrer zur Verfügung gestellt. Er hat dort medizinische Geräte und Instrumente gesammelt – und ist dann spurlos verschwunden. Seitdem hatte sich eine dicke Schicht Staub auf den Geräten abgelagert. Die Vermieterin bot uns Raum und Geräte an. Aber um was für Geräte handelte es sich? Und was machen wir damit?

Über einen dritten Verein lernten wir die SVFoundation und Maryna Schiefer, die in Düsseldorf dort mitarbeitet, kennen. Darüber ergaben sich direkt mehrere Projekte:
– Mit Hilfe der SVFoundation schickten wir die Geräte, u.a. 2 Röntgengeräte und ein Inhala­tionsnarkosegerät, mit zwei Transporten in ein Krankenhaus in Ivano-Frankivsk.

– die medizinischen Instrumente gehen erst an ein Lager in Lwiw und werden vor dort an mehrere Krankenhäuser verteilt
– Das Hospiz im Haus Hörn hat viele Rollstühle, Rollatoren und Gehhilfen gespendet, die auch erst mal in das Lager in Lwiw und von dort nach Kramatorsk transportiert werden. Danke an meine Mutter Olga, die im Haus Hörn arbeitet, und an meinen Vater Viktor, der alles transportiert hat.
– Wir haben Trinkwasseraufbereitungsanlagen gekauft (siehe „Trinkwasser für die Ukraine“).

Und dann gab es noch das Projekt „Fahrt ins Leben“, das Projekt, das mich total begeistert hat. Fast 20 Krankenwagen sollten von der SVFoundation aus Großbritannien via Düssel­dorf in die Ukraine gebracht werden. Aber sie sollten nicht leer bleiben. Maryna Schiefer, die aus Donezk stammt und seit 2014 in Düsseldorf lebt, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Krankenwagen mit Hilfsgütern zu füllen. Sie hat dieses Projekt „Fahrt fürs Leben“ genannt! Was man auch so empfinden kann – wenn man die Menge an Hilfsmitteln sieht, die geladen wurden.

Am 30. Juni wurde der Konvoi auf dem Gelände der Messe Düsseldorf offiziell verabschiedet. Mit dabei waren Iryna Shum, die Generalkonsulin der Ukraine in Düsseldorf, der Musiker Misha Nodelman mit seiner Geige, Maryna und Oleksii von der SVFoundation, Julia und Helmut für das Aachener Netzwerk und viele mehr.

Bei dieser Aktion habe ich viele tolle Menschen kennen gelernt, die meine Gedanken und Ziele teilen.

Julia Shporina

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Bosnisch-herzegowinische SOWG-Sportdelegation zu Gast in Aachen und der Städteregion – ein Rückblick

Das Aachener Netzwerk und seine Mitglieder haben in Juni an einem besonderen Projekt teilgenommen und eine erfolgreiche Koope­ration mit der Städteregion Aachen umgesetzt.

Die Städteregion Aachen hatte sich in Form einer Gemeinschaftsbewerbung als Host Town für die Special Olympic World Games (SOWG) Berlin 2023 beworben und wurde dadurch zu einem der insgesamt 216 Host Towns in Deutschland ausgewählt, die eine internationale Sportdelegation vor Beginn der Wettbewerbe in Berlin empfangen durften. Bosnien und Herzegowina wurde der Städteregion zugeteilt.

Vom 12. bis zum 15. Juni war die 47-köpfige bosnisch-herzegowinische Sportdelegation in der Städteregion Aachen und der Stadt Aachen zu Gast.

Als Kooperationspartner der Städteregion begleiteten die Mitglieder des Aachener Netzwerks die Sportlerinnen und Sportler bei allen Aktivitäten während ihres Aufenthalts in Aachen und Umgebung.

Unsere Hauptaufgabe war es, für die unmissverständliche Kommunikation zwischen den Gästen und Gastgebern durch Simultandolmetschen zu sorgen.

Dragana, Svjetlana, Amina und Snjezana (Giana) haben diese Aufgabe zur höchsten Zufriedenheit aller Beteiligten sehr gut gemeistert. Mujo hatte sich uns am letzten Besuchstag anschließen können. Gemeinsam mit den Vertreterinnen und Vertretern der Städteregion wurden den Gästen die regionalen Besonderheiten und Einzigartigkeiten nahe gebracht, die inklusiven Angebote der ver­schiedenen Einrichtungen und Organisa­tionen, wie auch die kulturelle Vielfalt der Stadt Aachen mit all ihren historischen Sehens­würdigkeiten gezeigt.

Darüber hinaus konnten wir die Gäste, die in unserem Fall gleichzeitig Landsleute von uns waren, näher kennenlernen, uns mit ihnen anfreunden und auch mehr über ihre Arbeit, die Arbeitsbedingungen und den Stand der Inklusion in Bosnien und Herzegowina erfahren.

Während des dreitägigen Aufenthalts gab es viele Programmpunkte und Aktivitäten zu absolvieren: die Ankunft auf Gut Hebscheid, der Besuch der integrativen Tabalingo-Einrichtung in Stolberg wie auch der Besuch in den Caritas-Werkstätten in Eschweiler, wo eine kleine „Olympiade“ auf dem Sportgelände stattgefunden hat. Am zweiten Tag fand der offizielle Empfang beim Städteregionsrat Dr. Grüttemeier im Städteregionshaus an der Zollernstraße statt. Anschließend konnten die Gäste die Stadt Aachen im Rahmen einer Stadtführung kennenlernen.

Der Sozialdezernent der Städteregion Aachen Dr. Michael Ziemons hatte die Gäste aus Bosnien und Herzegowina mit begleitet und war sowohl bei diesem Empfang wie auch auf dem Gelände des Tabalingo-Vereins und beim Abschiedsgrillen im Hörgeschädigten-Zentrum in Haaren anwesend.

Kada Delic-Selimovic, ehemalige olympische Teilnehmerin und Profiathletin, war die Leiterin der Sportdelegation. In ihrer Ansprache beim offiziellen Empfang bedankte sie sich herzlich bei den Gastgebern für die Gastfreundschaft und die hervorragende Organisation und verkündete dabei die Absicht, die Bewerbung von Bosnien und Herzegowina für die Austragung der Winterspiele der Special Olympic World Games 2029 in Sarajevo voranzutreiben. Herr Grüttemeier begrüßte diese Absicht und wünschte viel Erfolg.

Interkulturelle Friedensarbeit in Aachen

Das Team von Kada Delic bestand aus Trainerinnen, Trainern und Ärzten, die aus allen Teilen von Bosnien und Herzegowina, also aus der Föderation Bosnien und Herzegowina wie auch der serbischen Teilrepublik Republika Srpska kamen. Dies ist sehr wichtig gewesen, damit sich keine der Ethnien benachteiligt fühlen konnte.

Kada Delic Selimovic hat als erfahrene Sportlerin mit vielzähligen Teilnahmen an verschiedenen Olympiaden alles dafür getan, dass alle ihre Teammitglieder innerhalb des Teams gleichberechtigt und ohne Nachteile ihren Aufenthalt in Aachen und später auch in Berlin genießen können.

Doch die Spaltung des Landes Bosnien-Herzegowina wurde am Beispiel von zwei Trainern aus Republika Srpska deutlich. Sie vermieden es leider weitgehend an allen drei Abenden mit dem Team etwas gemeinsam zu unternehmen. Auch der Pflicht, die bosnisch-herzegowinischen Sporttrikots während des gesamten Aufenthalts in Aachen zu tragen, wollten sie nicht immer nachkommen.

Dies wurde aber durch eine dritte Trainerin aus Republika Srpska kompensiert, die sich sehr zum Land Bosnien und Herzegowina bekannte und sich als seine Bürgerin sah.

Ein weiteres positives Beispiel: Zum Team von Kada Delic-Selimovic gehörte auch eine 19 Jahre junge Frau aus Belgrad/Serbien – Anica. Anica hat sich offiziell bei den SOWG Berlin 2023 als Volontärin beworben, wurde angenommen und dem bosnisch-herzegowinischem Team zugeteilt – das Beste, was ihr passieren konnte, wie sie sagte. Sie hatte sichtlich viel Spaß und Freude mit dem Team und war in ihrem Umgang mit allen ohne erkennbare Vorurteile, die sonst in den Gesellschaften von Bosnien und Serbien gepflegt werden und den Alltag bestimmen.

Die Begleitung des Teams durch unsere Mitglieder Dragana, Svjetlana, Amina, Mujo und Snjezana sorgte für große Freude und Begeisterung bei allen Teammitgliedern, aber auch für große Zufriedenheit beim Städteregions-Team.

Wir haben neben unserer Dolmetscher-Aufgabe ein großes Interesse am gesamten Team gezeigt und sind mit großem Respekt mit allen umgegangen. Deutlich wurde auch, dass wir das Land Bosnien und Herzegowina wertschätzen, lieben und seine ethnische Vielfalt uns sehr wichtig ist.

Dies hat angesichts der schwierigen politischen Lage einen sehr guten Eindruck im Team hinterlassen, denn es ist zumindest in Bosnien und Herzegowina nicht selbst­verständlich, dass eine Dragana, Svjetlana und Snjezana sich so für Bosnien und ihre Menschen begeistern und sie selbstlos unter­stützen. Unsere Vornamen verraten unsere ethnische Herkunft. So wäre es in Bosnien „normal“, dass wir eher für Kroatien und Serbien einstehen statt für das Land, in welchem wir geboren wurden.

Durch unser gelebtes Bekenntnis zum multiethnischen Bosnien schien es mir, als hätten wir der Kada und dem ganzen Team neue Kraft, Zuversicht, Motivation und Glauben an eine bessere Zukunft in Bosnien und Herzegowina gegeben.

Kada wurde auch nicht müde, in allen Interviews, die sie für die bosnisch-herzego­winischen Medien gegeben hat, das Aachener Netzwerk zu erwähnen, wie auch dass es Menschen bosnischer Herkunft in Deutschland gibt, die Bosnien und Herzegowina und all seine Menschen lieben und sich nicht nach ethnischer Herkunft aufteilen lassen.

Nach drei intensiven Tagen in Aachen wurde die Sportdelegation von Bosnien und Herzegowina nach Berlin mit besten Erfolgs­wünschen verabschiedet. Dort haben sie insgesamt 5 Medaillen geholt: 3 x Gold und 2 x Silber: ein gutes Ergebnis, sagt Kada Delic-Selimovic angesichts der organisatorischen und vor allem finanziellen Schwierigkeiten, die sie auf dem Weg nach Berlin begleitet haben.

Die Finanzierung der Kosten war bei der Ankunft in Aachen noch nicht gesichert, vieles hat Kada aus eigener Tasche vorfinanziert. Bei Ankunft in Aachen sprang dann noch einer der großen Sponsoren aus nicht geklärten Gründen ab. Das belastete sie als hauptverantwortliche Person immens, obwohl man es ihr nicht anmerken konnte. Wir haben dann einen Aufruf in Aachen über unsere Netzwerke gestartet.

Der Besuch der Vertreterinnen von der bosnischen islamischen Gemeinschaft Aachen beim Abschiedsgrillen in Haaren brachte eine erste finanzielle Erleichterung durch eine großzügige Spende in Höhe von 3000 Euro. 27.000 € fehlten noch.

Als ein glücklicher Fall wird sich später in Berlin noch das Treffen zwischen dem bosnisch-herzegowinischen Außenminister Elmedin Konakovic und dem Team von Kada Delic-Selimovic erweisen. Wohl wissend, unter welch schwierigen Ausgangsbedingungen Kada es immer wieder schafft, Bosnien und Herzegowina bei internationalen Sport­veran­staltungen zu vertreten, hat der neugewählte Außenminister Konakovic ihr und dem Team die Übernahme aller Kosten zugesichert. Was für eine große Erleichterung für alle!

Der Außenminister sicherte seine Unterstützung auch bei der Bewerbung für die Winterspiele der Special Olympics World Games 2029 in Sarajevo zu. Das kann man wahrlich ein Happy End nennen!

Es bleibt noch abzuwarten, ob die Versprechungen auch eingelöst werden. Daran wollen wir aber fest glauben.

Ich könnte jetzt so immer weiter schreiben über viele Geschichten, die aus dieser wunderbaren Begegnung mit Menschen mit Behinderung und ihren Begleitern entstanden sind, doch dafür ist nicht genug Platz in diesem Rundbrief und die Zeit ist zu knapp.

Da unser Rundbrief gerade in der Ferienzeit erscheint, können Svjetlana und Dragana gerade keinen schriftlichen Beitrag hier leisten. Aber vielleicht berichten wir noch mal in einem der nächsten Rundbriefe über viele schöne Geschichten und Erfahrungen, die wir vom 12. bis zum 15. Juni in Aachen mit der bosnisch-herzegowinischen Sportdelegation machen konnten. Wie auch darüber, wie es unseren neuen Freundinnen und Freunden in Bosnien geht. Auch ein Nachtreffen mit Bettina Herlitzius und dem Team der Städteregion Aachen ist für den 11.08. in Herzogenrath geplant und steht noch an. An dieser Stelle möchte ich noch betonen, dass die Städteregion Aachen ein hervorragender Gastgeber mit einer tollen Organisation war und für unvergessliche Erlebnisse bei den Gästen gesorgt hat.

Wir vom Aachener Netzwerk konnten durch unseren Einsatz bei diesem besonderen Projekt in Zusammenarbeit mit der Städteregion im wahren Sinne des Wortes die „interkulturelle Friedensarbeit“ betreiben und zeigen, dass wir, ganz gemäß dem SOWG Berlin 2023-Motto „Gemeinsam Unschlagbar“ sind.

Giana Haass

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Bina Mira: Neuinitiiertes versus Altbewährtes

In der Nacht vom 20. auf den 21. Juli ver­wüstete ein schwerer Sturm mit zahlreichen Überschwemmungen Serbien. Auch Šid, wo Bina Mira dieses Jahr stattfinden soll, war betroffen. Umgestürzte Bäume, abgerissene Dächer, überflutete Keller, …

Alle Projektpartner wünschen den betroffenen Familien viel Mut zur Wiederherstellung ihrer Wohnungen und Häuser.

Die Schäden sind groß – dennoch versichert unser Projekt­koordinator Cvetin Anicic, dass die Jugend­begegnung Bina Mira wie geplant vom 17, bis 23. September 23 stattfinden kann.

Cvetin Anicic arbeitet mit großer Leidenschaft seit 20 Jahren im gesamten Theaterbereich, auf der Bühne, hinter der Bühne, mit Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung und mit Geflüchteten. Er ist ein wahres Multitalent, verheiratet und hat drei Kinder. Seine Spezialität ist das Puppenspiel, das Schminken, das Kostümieren seiner selbstgebastelten Puppen und seine Auftritte damit.

Cvetin Anicic aus Serbien, Puppenspieler und Projektkoordinator

Auch bei Bina Mira ist er mit vollem Engage­ment dabei. Dort wird es vormittags insgesamt 7 Workshops geben. Wie bereits berichtet, kann an den Nachmittagen aus 3 Workshop-Aktivitäten gewählt werden: der Friedenslauf zur Sremski-Front, Tanzübungen für den Flashmob im Zentrum von Šid und die kreative Schreibwerkstatt: 30 Jahre Aachener Netzwerk, 35 Jahre Erasmus+, 14 Bina Mira Jugend­begegnungen, 5 genehmigte Erasmus+ Anträge von der belgischen Nationalagentur unter Mithilfe des Eupener Jugendbüros.

Das Programm, noch eifrig bearbeitet, wirkt vielversprechend: 7 Werkstattaktivitäten am Vormittag, vorher Team- und Entspannungs­übungen.

Das vielfältige Angebot der Werkstätten bietet bei freier Wahl für Musik- und Konzert­be­geisterte Instrumentalmusik und Chorgesang.

Film- und Videoarbeiter*innen halten alle interessanten Momente der Jugendbegegnung für die sozialen Medien fest.

Neu im Angebot ist eine Zukunftsvision 2050. Dort werden in Interviews der Bevölkerung Möglichkeiten zum nachhaltigen Handeln und zur CO2-Reduktion erfragt. Währenddessen sind andere Teilnehmer*innen in der Galerie des Museums Sava Šumanović künstlerisch aktiv sind. Ihr Ziel: eine Ausstellung der eigenen Werke in den Schaufenstern von Šid.

Kostüme schneidern, Schminktechniken erler­nen und Puppen basteln bieten handwerklich Begabten kreatives Arbeiten, dazu Geschich­ten erfinden – Figurentheater begeistert nicht nur die Kleinen.

Ebenfalls neu ist der Workshop Recycling-Upcycling, von wertlos zu wertvoll. Im Mittelpunkt steht die Verarbeitung von Plastiktüten und Plastikflaschen zu sinnvollen Objekten, ebenso die Bewusstseinsbildung: Wie das Land, so das Meer! Achtloses Wegwerfen verletzt oder vergiftet die Meerestiere bis hin zum qualvollen Tod.

Im Zentrum des Roten Kreuzes werden täglich 50-80 Suppen/Eintopfessen für die Ärmsten der Bevölkerung vorbereitet. Hier wird mit Schürze, Mundschutz und Handschuhen geschnippelt, geschält und gekocht, für alle Interessierten eine humanitäre Erfahrung – zusammen mit Migrantinnen vom nahe gelegenen Zentrum.

Zu den abendlichen Theaterstücken (nicht nur die Projektpartner, auch eine nord­mazedonische und eine kroatische Gruppe aus Vukovar zeigen ihr Können auf der technisch gut ausgestatteten Bühne) sind alle Bewohner von Šid herzlich eingeladen.

Ein Wermutstropfen sind die hohen Bus- und Flugpreise. Zugegeben: Green travel ist das Fliegen für die Teilnehmer aus Belgien und Deutschland nicht, aber 27 Stunden Busfahrt, dazu längere Grenzkontrollen hieße fast 4 Tage reisen, um knapp 5 Tage vor Ort zu sein. Alle anderen Gruppen reisen per Bus an, wobei auch hier die Kosten explodieren.

Umso mehr freuen wir uns darüber, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens das Projekt Bina Mira über den Jugendstrategie­plan finanziell unterstützt.

Bleiben wir begeistert, voller Vorfreude auf die Workshop- und Theatertage im serbischen Šid. Begeisterung ist das wahre Geheimnis des Erfolgs.

Elfriede Belleflamme

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Täter-Museum auf KZ-Gelände

Auf dem Gelände des ehemaligen Internierungslagers Heliodrom in Mostar (Bosnien und Herzegowina) plant die Partei HDZ (Hrvatska demokratska zajednica) die Errichtung eines Museums zu Ehren der Soldaten der HVO. Soldaten der HVO haben während des Krieges gegen Bosnien und Herzegowina zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Insbesondere haben sie das Massaker von Ahmići verübt, Bosniaken inter­niert, gefoltert und getötet. Wir sind schockiert über die Pläne zur Errichtung eines Museums, das diesen Soldaten und ihren Taten huldigen soll – auf bosnischem Boden. Dieses Vorhaben wird die Opfer der Taten und ihre Angehörigen retraumatisieren, indem ihnen die gegen sie begangenen Verbrechen – buchstäblich – vor Augen geführt werden.

Sarajevo Times am 17.6.2023

Daher haben sich das Aachener Netzwerk und weitere Unterstützer mit einem Schreiben vom 03.07.2023 an die Bundestagsabgeordneten Adis Ahmetović und Jasmina Hostert gewandt und Unterstützung im Einsatz gegen den Bau des Museums erbeten. Beide Abgeordnete haben unser Anliegen sehr ernst genommen und ihrerseits ein Schreiben an das Bundeskanzleramt, das Auswärtige Amt und den Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina gefertigt. Wir bedanken uns hierfür ganz herzlich und schätzen den Einsatz der Abgeordneten sehr. Wir verfolgen den Fortgang der Angelegenheit in Absprache mit beiden Abgeordneten und berichten gerne Weiteres.

Toni Böhme

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Social Day

Im Juni haben wir (erfolglos) an einem Wettbewerb der Aachener STAWAG teilgenommen – und im letzten Rundbrief darüber geschrieben. Aber darüber wurde Andi Dreger von Social Day Aachen auf uns aufmerksam. Er erklärte die Idee des „Social Day“ wie folgt:

„Beim Social Day stellen Aachener Unter­nehmen einen Tag Mitarbeiter:innen zur Ver­fügung, um soziale Projekte für und mit gemeinnützigen Einrichtungen aus Aachen umzusetzen. Geld ist Nebensache – vielmehr sind Ressourcen wie Zeit, Wissen, Kompetenz, Kontakte und Logistik gefragt. Unternehmen und soziale Einrichtungen lernen sich kennen und handeln gemeinsam für das Gemeinwohl.“

Gute Idee!

Wir haben unseren Verein und zwei Projektideen auf der Webseite eingetragen – und gewartet. Bis Mitte Juli ein Anruf auf unserem Anrufbeantworter war: Die Firma 1ctec in Würselen möchte uns gerne helfen, einen Hilfstransport zu machen.

Nun läuft die Planung:
– Bedarfsliste in Calais anfragen
– Hilfsgüter entsprechend der Bedarfsliste sammeln
– Hilfsgüter am Social Day, dem 8. September, sortieren und verpacken
– Und alles nach Calais bringen.

Mehr dazu ganz bald!

Helmut Hardy

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