Rundbrief 36 – September 2022

Inhalt:

Das Aachener Netzwerk

Wer unseren (komplizierten) Namen liest, hält uns zuerst oft für einen Dachverband, für einen Zusammenschluss von mehreren Vereinen. Das sind wird nicht. Aber wir sind Teil eines Netzwerks von Vereinen, von Vereinen in Deutschland und in Europa. Das ist unsere Stärke und es macht vieles möglich, was wir alleine niemals schaffen würden.

In diesem Rundbrief wird es wieder besonders deutlich:
– Bina Mira hat eine interkulturelle Zusammen­arbeit zum Ziel, ist aber ohne eine solche gar nicht möglich.
– Eine Hilfsaktion, die gleichzeitig in Bosnien, in Griechenland und in der Ukraine wirkt – wie ist das ohne internationale Zusammenarbeit vorstellbar?

Deshalb sagen wir nicht, „Wir, das Aachener Netzwerk“, sondern „Wir, als Teil eines Netzwerks“ haben etwas geschafft. Alleine ist das vollkommen unmöglich.

Deshalb möchten wir in diesem Rundbrief mehreren Organisationen und ihren Projekten Platz geben, die Teil unseres Netzwerks sind. Und so auch Teil des Aachener Netzwerks.

Der Vorstand des Aachener Netzwerks

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Fotoaktion

Im Dezember 2021 haben wir im Rahmen unserer Weihnachtsaktion 13 Fotos von 3 Fotograf*innen drucken lassen und angeboten – mit großem Erfolg. Natürlich möchten wir damit etwas „Geld in unsere Kasse spülen“, aber wir möchten auch „unsere“ Themen durch Bilder deutlich machen. Deshalb haben wir noch weitere Fotograf*innen angesprochen, ob sie nicht Fotos zur Verfügung stellen wollen. Die Resonanz ist super und wird haben fast das Dutzend voll. Im Oktober wird es einen extra-Rundbrief geben, der nur unserer Fotoaktion gewidmet ist. Freuen Sie sich jetzt schon auf viele gute und interessante Bilder.

Samir Zahirovic - Flame for Peace
Samir Zahirovic – Flame for Peace 2014

Kunstauktion

Viel Arbeit haben wir auch in unsere Kunstauktion gesteckt. Unterstützt von 43 Künstler*innen haben wir Kunstwerke für über 13.000 € verkauft. So konnten wir mit mehreren Tausend Euro unsere Projekte finanzieren.

Nun kennen wir viele Künstler*innen – und sie kennen uns. Das sollte eine Neuauflage doch deutlich einfacher machen. Viel mehr können wir noch nicht sagen, aber Ort und Termin haben wir schon festgezurrt:
Depot Talstraße, Talstraße 2, Aachen
30. Oktober bis 5. November 2023

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Bina Mira 2022

Bina Mira – hatten wir das nicht schon?
Ja, Anfang April haben wir das mehrfach von 2020 verschobene Bina Mira nachgeholt.

Ende September fand nun die Ausgabe 2022 statt – insgesamt schon die 13te. Dieses Mal in Višegrad in Bosnien & Herzegowina – nicht zu verwechseln mit dem ungarischen Visegrád. Wie immer wird dieser Austausch von Jugendtheatergruppen unterstützt durch Erasmus+, 2022 wieder durch die belgische National­agentur mit Hilfe des Jugendbüros in Eupen/Belgien.

Mit dabei waren 9 Gruppen aus 7 Städten und 7 Ländern:
Bosnien und Herzegowina war durch zwei Gruppen aus Tuzla sowie Banja Luka vertreten, ebenso wie Serbien mit den Städten Šid/Schid sowie Zrenjanin und Deutschland mit Alsdorf (Gustav-Heinemann-Gesamtschule) sowie Aachen (Mies-van-der-Rohe-Schule); Belgien war durch Eupen vertreten, Rumänien durch Reghin, Kroatien durch Zagreb und Slovenien durch Postojna.

Vom 18. bis 25. September waren alle unter Spannung, vor allen Dingen die Workshoparbeit lief auf Hochtouren. Am letzten Tag, dem Samstag, wurden die Resultate vorgestellt.

Bei bester Stimmung wurde musiziert, geschichtlich recherchiert, gekleistert und gemalt, die Filmcrew interviewt, Rollenspiele und Schattenspiele geübt – täglich standen 6 Stunden auf dem Programm. Die insgesamt 80 Teilnehmer wurden in Andrićgrad unter­gebracht, einem Stadtteil von Visegrad. Andrićgrad wurde nach dem Literatur­nobel­preisträger Ivo Andrić benannt und ist eine Planstadt des Regisseurs Emir Kusturica.

Es ist erstaunlich zu beobachten, wie schnell die Jugendlichen aus 11 Gruppen und 7 Natio­nen internationale Freundschaften schließen und sprachliche Barrieren überwinden, zusammen arbeiten, essen, Freizeit genießen und feiern.

Abends zeigten alle Gruppen ihre vorab vorbereiteten Videos und Theaterspiele. Hier sei das Theaterstück von unserem neuen Partner Cvetin Anisic aus Šid in Serbien hervorgehoben.

Unter dem Titel „Refugees/Flüchtlinge“ zeigten die Schauspieler in schrecklichen Bildern das Los der Flüchtlinge an den EU-Grenzen, berichten über Schicksale, Menschenrecht ver­letzende „Pushbacks“, schwere Traumati­sierungen, harte Lagerrealitäten und schließlich das Ankommen in einem neuen, unbekannten Leben mit den (uns) bekannten administrativen Hürden.

Über Bina Mira wurde schon gesprochen – so dass es auch 2023 wieder eine “Bühne des Friedens“ in Zeichen von Frieden, Freund­schaft, Toleranz, Respekt, demokratischen Werte und Inklusion geben wird.

Elfriede Belleflamme

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Sommerfest

Jetzt sind wir schon im Herbst…
Aber wir erinnern uns noch an den Sommer. Und einen dieser schönen Sommer-Samstage hatten wir uns für unser Sommerfest ausgesucht. Am 20. August trafen wir uns im Garten des Aachener Welthauses.

„15 bis 20 Uhr“ hatten wir geschrieben, und ich dachte zuerst, vielleicht wäre das zu lang. Aber wir haben erst um 21:30 Uhr Schluss gemacht, weil es langsam dunkel wurde.

Zuerst gab es Kaffee und Kuchen, später Gegrilltes – Fleisch und Vegetarisches. Auf den Fotos sieht man Alt und Jung, Bosnier*innen und Deutsche – ein schönes Mit- und Durcheinander.

Nächstes Jahr wieder – und dann mit Live-Musik.

Helmut Hardy

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HEJ – Die Sommerpause ist vorbei

Unsere Sport- und Kreativ-Werkstatt im bosnischen Busovača hat sich nur eine kurze Sommerpause gegönnt.

Es ist schön zu sehen, dass unsere Spendengelder hier so viel Freude bereiten. Deshalb lassen wir die Bilder einfach für sich sprechen.

  

Mujo Koluh

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Viele, viele Covid-Tests

Im März bekamen wir eine große Spende der Firma Holzhäuser in Wuppertal. Es handelte sich um 18.500 Einmalhandschuhe in medizini­scher Qualität. Diese haben wir teilweise in unsere First-Aid-Kits eingearbeitet, teilweise mit Cologne Cares in die Ukraine versendet.

Ende August kam dann die nächste Anfrage der Firma Holzhäuser: „Könnt ihr 14 Pakete mit je 600 Corona-Antigen-Tests gebrauchen?“

8.400 Tests sind eine Menge. Wir fragten unter unseren zahlreichen Kooperationspartnern und wurden schnell fündig:
– 4 Pakete mit 2.400 Tests gingen mit „Wir packen’s an“ zu Offene Arme e.V auf die griechische Insel Chios.

(Wir packen’s an berichtet darüber in einem eigenen Artikel.)
– 4 Pakete gingen mit Cologne Cares in die Ukraine: an die Städtische Poliklinik in Chernowitz, an das Notfallkrankenhaus in Charkiw und an das Krankenhaus von Dnipropetrowsk.

Kristina Koch und Natascha Lupkin von Cologne Cares

– 6 Pakete passten noch auf den gemeinsamen Transport mit dem Kölner Spendenkonvoi zu Collective Aid nach Sarajevo.

Schließlich kam noch eine Anfrage:
„Nach Durchsicht unseres Lagers haben wir noch einen Karton Lollitest gefunden, die wir ebenfalls spenden würden. 1.600 Stück.“ …

Helmut Hardy

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#10000 Schuhe – und noch mehr

Letztes Jahr haben wir bundesweit mit mehreren Organisationen Schuhe für Menschen auf der Flucht gesammelt. Aufwändig, aber erfolgreich. Alleine über das Aachener Netzwerk gingen mehrere tausend Schuhe nach Bihać und Lesbos.

Später hörten wir davon, dass auf Festivals darum gebeten wird, anschließend die Zelte zu spenden – eine Idee, die in Corona-Zeiten nicht mehr so gut funktioniert hat. Unser Verein gehört ja eher zu den Laufenden, weshalb wir 2014 auch von Sarajevo nach Aachen gelaufen sind und heute noch einige aktive Läufer*innen in unseren Reihen haben. Aus dieser Kombi­nation ergab sich die Idee, bei Laufver­anstaltungen um Laufschuhe zu bitten. Das ist die Art von Schuhen, die gefragt sind. Hier sprechen wir die richtigen Leute an.

In Aachen haben wir Kontakt zu mehreren Laufveranstaltern aufgenommen und hoffen, die Idee nächstes Jahr umsetzen zu können.

Doch schneller war unser Berliner Freund Peter Bartel. Er hat 2014 den Flame-for-Peace-Lauf über die kompletten 2.500 km von Sarajevo nach Aachen auf seinem Tretroller „begleitet“. Was für eine Leistung! Früher wäre er die Strecke auch komplett gelaufen – aber mittler­weile ist er 80!

Wir hatten ihn angeschrieben, ob er nicht für uns den Kontakt zu Laufveranstaltern in Berlin herstellen möchte. Ein Container Schuhe nach dem Berlin-Marathon, das wär’s.

Doch Peter wurde auch selbst aktiv. Und wendete dabei einen kleinen „Trick“ an, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Er sammelte auf dem Stolper Feld (verletzungsfrei, ohne zu stolpern) Mirabellen und bot diese auf verschiedenen Plätzen seines Wohnortes Frohnau an. Über die roten Früchte kam er mit Passanten ins Gespräch und konnte auf diese Weise unaufdringlich auf unser Schuhproblem hinweisen. So kam dann doch noch etwas zusammen.

161 kg Mirabellen „tauschte“ er so gegen 106 Paar Schuhe – ein tolle Aktion!

Wir packen’s an hat die Schuhe bei Peter Bartel abgeholt und sorgt für den Transport zu den Partnerorganisationen an den EU-Außen­grenzen. Gute Kooperationen sind unheimlich wertvoll – weshalb uns die Kooperation mit Wir packen’s an einen eigenen Artikel wert ist.

Helmut Hardy und Peter Bartel

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Wir packen’s an e.V.
und Aachener Netzwerk leisten direkte Nothilfe im Team

Nachdem wir schon 2021 bei der Versorgung von Schutzsuchenden im Konflikt an der polnisch-belarussischen Grenze zusammen­arbeiten durften, konnte das Aachener Netzwerk nach einer Unternehmensspende kurzerhand insgesamt 8.400 COVID-Schnell­tests für die Unterstützung von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen bereitstellen. Wir erhielten vor einigen Tagen eine Anfrage für die Möglichkeit zur Testung der versorgten Geflüch­teten auf der Insel Chios in der griechischen Ägäis. Kurzerhand konnte das Spenden­angebot vermittelt und 2.400 der Schnelltests über unser Logistikzentrum bei Berlin zu unserer Partnerorganisation Offene Arme e.V. auf Chios versendet werden. Dank der Kooperation ist es uns möglich, dringend benötigte medizinische Unterstützung für die Menschen vor Ort zu leisten. “In Anbetracht der steigenden Ankunftszahlen geflüchteter Menschen und einer stetig abnehmenden Spendenbereitschaft sind wir sehr froh über die Spende der Schnelltests. Die richtige Unterstützung, zur richtigen Zeit!“ so unser geschäftsführender Vorstand Axel Grafmanns.

Doch für alle die uns noch nicht kennen und wissen möchten, wie es zu Wir packen’s an gekommen ist, möchten wir euch nachfolgend einen kurzen Einblick geben:

Berichte über die unsäglichen Zustände in griechischen Flüchtlingslagern, in denen auch Tausende unbegleitete Kinder getrennt von ihren Familien leben müssen, bewegten den Bad Freienwalder Unternehmer Andreas Steinert an Weihnachten 2019 gemeinsam mit Freund*innen und Aktivist*innen Miriam Tödter und dem Ex-Sea-Watch Geschäftsführer Axel Grafmanns unseren Verein „Wir packen’s an“ ins Leben zu rufen. Was zunächst mit einem Spendenaufruf unter dem Hashtag #MachtDenTruckVoll und der Idee, einen Truck mit gespendeten Hilfsgütern als Nothilfe in die überfüllten Lager auf die griechischen Inseln zu bringen, begann, löste eine ungeahnte Hilfsbereitschaft aus. Etwas mehr als 2 Jahre später, ist es uns möglich, 4 Festangestellte zu beschäftigen, die gemeinsam mit unseren mehr als 200 ehrenamtlichen Mitgliedern tagtäglich dafür sorgen, dass die Menschen auf der Flucht vor Krieg, Hunger und Vertreibung nicht vergessen werden. Ganz im Sinne unseres Vereinsmottos „Nothilfe: da wo niemand hinschaut“, finanzieren wir insgesamt Projekte von 11 Organisationen in 4 Ländern im Wert von ca. 200.000 €. Darunter besonders genannt die Unterstützung mit Nahrungsmittel, Mieten und personelle Unterstützung. Darunter für 8 Organisationen in Griechenland, die Initiative Rahma in Bosnien, sowie das Projekt Are you Syrious in Kroatien. Neben der direkten Nothilfe beteiligen wir uns auch an Demonstrationen in Deutschland und bauen so langfristig Druck auf die Entscheidungsträger*innen auf, um das Schicksal der Menschen auf der Flucht nachhaltig zu verändern. Mit kreativen Aktionen rund um das Thema „Flucht“, wie beispiels­weise unserem jährlichem Weihnachtssingen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin in Kooperation mit Musiker*innen und Initiativen wie Campact und der Seebrücke versuchen wir jede Möglichkeit der politischen Stellungnahme in Solidarität mit flüchtenden Menschen wahrzunehmen. Durch Projekte zur Aufklärung an Schulen in Zusammenarbeit mit Geflüchteten selbst und dem uns eigenen Anspruch, überall dort Präsenz zu zeigen, wo Flucht und Asyl systematisch missachtet werden, setzen wir uns zivilgesellschaftlich, wie auch ganz konkret für Menschen auf der Flucht ein.

Nachdem die Tests bei unserem Partner in Griechenland eingetroffen waren, erreichte uns bereits die nächste Nachricht des Aachener Netzwerks. Dieses Mal ging es um eine Schuhsammlung des engagierten Berliner Mitstreiters Peter Bartel, dessen Keller sich mittlerweile gut gefüllt hatte. Wir durften aufgrund der Nähe zu Berlin einspringen und können so die Spenden im Zuge unserer Sach­spendensammlung für den bevor­stehenden Winter möglichst schnell zu den betroffenen Menschen bringen. Mit den gesammelten Schuhe können wir unsere Partner in Frankreich (Refugee Women Center, Calais), Bosnien (Rahma – Velika Kladuša, No Name Kitchen – Bihać), am polnischen Grenzgebiet zu Belarus (Fundacja Ocalenie – Białystok & Teremiski) und zur Ukraine (Folkowisko Foundation), sowie seit Vereinsgründung im Jahr 2020 in der Ägäis (Leave No One Behind – Lesbos, Offene Arme e.V. – Chios, No Name Kitchen – Patras), sowie auf dem griechischen Festland in Athen (Khora Free Shop, Hope Cafe) und Thessaloniki (The Wave, Medical Volunteers International) unterstützen. Der Bedarf an Schuhen ist seit Vereinsgründung ein Fass ohne Boden. Wir schätzen die Bemühungen von Herrn Bartel daher sehr, den fliehenden Menschen durch eine gezielte Sammlung Grundbedürfnisse zu sichern. Peter Bartel bittet weiterhin, um Unterstützung, denn der Bedarf an Schuhen ist stetig vorhanden: „Viele Mitbürger haben die Schränke voll mit Schuhen, die nicht zerschlissen und lauffähig nutzbar sind, aber nicht mehr genutzt werden. Diese bitte ich zu spenden an Peter Bartel, 13465 Berlin-Frohnau, Fuchssteinerweg 33, Tel. 030-4015933. Ich hole auch gerne ab!“, so Peter Bartel selbst auf seiner Website: http://www.peter-bartel.de/

Gemeinsam überwinden wir mit unserer Nothilfe nicht nur Staatsgrenzen, sondern kooperieren auch innerhalb Deutschlands über die eigene Reichweite hinweg. Täglich erreichen uns neue Hilferufe von den Grenzgebieten. Daher ist es so wichtig, zusammenzuarbeiten und wie in diesem Fall Spenden untereinander zu vermitteln, um aktuellen Bedarf schnell und unkompliziert zu Verfügung stellen zu können. Nothilfe ist bekanntlich kein Sprint, sondern ein Marathon – aber manchmal eben auch ein Staffellauf.

#betterTogether

Thilo Schaufler (Wir Packen’s An)

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Learn for Life in Kulen Vakuf

Über unseren Kooperationspartner Learn for Life haben wir schon im Februar berichtet.

In Zusammenarbeit mit anderen Organisationen sammelt Learn for Life in Bihać und den umgebenden Wäldern zurückgelassene Kleidung ein. In ihrer Wäscherei reinigen und desinfizieren sie sie. Anschließend übergeben sie sie an Organisationen, die diese Kleidung an Geflüchtete verteilt. Ein Musterbeispiel für eine Zusammenarbeit, wie sie in Bosnien leider nicht an der Tagesordnung ist. Deshalb hat das Aachener Netzwerk dieses Projekt auch finanziell unterstützt.

Heute geht es um ein Projekt im bosnischen Kulen Vakuf, 40 km südlich von Bihać. „Kulen Vakuf“, denkt da (hoffentlich) unser aufmerksamer Leser, unsere Leserin, „das habe ich doch schon mal gehört.“. Richtig, denn dort ist auch das Kinderheim Centar Duga, über das wir schon mehrfach berichtet haben, u.a. mit einem Film.

„This is my world“ – „Dies ist meine Welt“ ist das Motto des Atlantis Kunst- und Kulturzentrums. Es ist ein Platz für Bildung sowie kulturelle und kreative Aktivitäten. Der Gedanke dabei ist, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, in der man nicht nur Kunst genießen kann, sondern sich gleichzeitig etwas Neues lernen kann. Neben den dauerhaften Aktivitäten gibt es dort auch Ausstellungen, Food-Festivals, Konferenzen über Migration und Umwelt­aktionen. Es werden ausländische Freiwillige unterstützt und Menschen auf der Flucht wird geholfen.

Kulturelle Aktivitäten gibt es in der Musikschule, in Theatergruppen und in der Bücherei. Es gibt aber auch Sportaktivitäten und Kinder­spiel­plätze, es werden Yoga und Meditation angeboten, es gibt Sprach- und Team-Building-Kurse, Film- und Diskussionsabende über Menschenrechte und und und…

(Micha Schmid, Learn for Life)

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Habibi.Works

Über das Projekt Habibi.Works in Katsi­kas/Ioannina (Nord­west­griechenland) haben wir vor einem Jahr schon berichtet – Zeit für ein Update, das uns unser Mitglied Angeliki Pappas gibt:

Vor Ioánnina, der Hauptstadt von Épirus im Nordwesten Griechenlands, liegt das Flücht­lings­camp Katsikás, ein ehemaliges Militärlager mit dem Status eines Militärgebiets. Es beherbergte rund 1000 geflüchtete Personen und wird geleitet mit Unterstützung des UNHCR.

Aktuell leben 450 Menschen dort, aber es wird erwartet, dass bald wieder Menschen aus Südgriechenland umverteilt werden.

Derzeit befinden sich über 115.000 Geflüchtete in Griechenland und die Zahl der Ankommen­den steigt stetig. In der im Norden Griechenlands gelegenen Region Epirus befinden sich derzeit 3000 geflüchtete Menschen. Für diese mangelt es an Zugang zu psychologischer Unterstützung, zu Arbeits­möglichkeiten sowie überhaupt zu einem adäquaten Integrationsprogramm. Die meisten der Betroffenen leben in Lagern, ausgegrenzt und am Rande der Gesellschaft. Nicht selten jahrelang.

Untergebracht in einer ehemaligen Lagerhalle findet sich das Projekt Habibi.Works, das sich aus dem Verein Soup & Socks gebildet hat. Habibi.Works ist ein interkultureller „Maker-Space“, der Menschen aus den umliegenden Flüchtlingscamps und der lokalen Bevölkerung im Norden Griechenlands Plattformen für Begegnung, Bildung und die Umsetzung von Projekten für den Alltag bietet, da sie ansonsten kaum Zugriff auf Bildung, psychologische Betreuung, den Arbeitsmarkt, würdevolle Lebensbedingungen oder die griechische Gesellschaft haben.

Für die geflüchteten Menschen gibt es wenig Perspektiven. Sie warten oft mehrere Jahre auf die nötigen Papiere für eine Weiterreise. Sie möchten überwiegend weiter nach Deutschland oder Frankreich oder in andere Länder Nordeuropas. Der Arbeitsmarkt in Griechen­land bietet schon für die Einheimischen wenig Chancen und die Strukturen dort bieten wenig Möglichkeiten zur Integration.

Gemeinsam mit Second Tree, einer befreun­deten NGO aus Ioannina, werden Sprachkurse in Englisch und Griechisch angeboten.

Habibi.Works wird überwiegend von jüngeren Menschen betrieben. Zum einen Langzeit-Volunteers, die z.T. schon über Jahre hier in Vollzeit arbeiten, zum anderen Kurzzeit-Volunteers für drei Wochen und mehr. Die Teammitglieder kommen dabei überwiegend aus Deutschland, aber auch aus Griechenland, den Niederlanden, Spanien, Türkei, England und den USA. Der feste Stamm des Teams leitet dabei überwiegend die etablierten Workshops. Daneben werden temporäre Workshops angeboten, von Initiativ-Gruppen, die auch andere Camps besuchen.

Bei Habibi.Works werden durch die verschiedenen Werkstätten unterschiedliche Talente und Interessen angesprochen. Mit Kreativität und Gestaltungsfähigkeit entstehen Produkte für den Eigenbedarf oder gemeinsame Koch- und Mahlzeiten. Die Räumlichkeiten bestehen insgesamt aus verschiedenen Workshop-Bereichen: Holz- und Metall-Werkstatt, IT-Bereich, Gemeinschafts­küche, Nähbereich, Kreativbereich, Fahrrad­werkstatt, Bücherei, Sportanlagen, ein Gemein­schaftsgarten und das Musik-Studio.

Statt Anweisungen zu geben oder Vorgaben zu machen, orientieren sich die Expertinnen und Experten, die in Habibi.Works auf freiwilliger Basis ihr Wissen und ihre Zeit einbringen, an den Ideen und Vorhaben der Teilnehmenden.

Es geht darum generell das 2-Seiten-Denken auszuhebeln und eine Gemeinschaft zu bilden, die Talente, Erfahrungen und Bedürfnisse zusammenbringen kann.

Die Werkstätten wurden in den letzten Jahren Stück für Stück entwickelt: die Fahrradreparatur z.B. trägt sehr dazu bei, den geflüchteten Personen Mobilität zu ermöglichen, denn die öffentlichen Verkehrsmittel sind häufig zu teuer und die Distanzen zu Fuß doch zu weit. Innovative Ideen wie durch Bügelpresse alte Plastiktüten in Stoff für Windjacken umzu­wandeln, bringen das Team und die workshop-Teilnehmer*innen weiter.

Außergewöhnlich ist neben den Werkstätten der Einsatz von neuen Technologien wie Plastic Press: Plastikteile wie Schraubverschlüsse von Flaschen werden gesammelt und einge­schmolzen. Daraus entstehen Materialien, die zum Beispiel Aufbau von Regalen genutzt werden können.

So wie der Dome auf dem Außengelände oder die Kletterwand können durch kurzfristige Einsätze von Künstlern und Gast-Teams einzigartige Werke mit Strahlkraft entstehen.

Unser Besuch im August 2022

Während unseres Besuchs in meiner Heimatstadt Ioannina haben wir das Projekt zum zweiten Mal besucht und unser Sohn Alex hat während eines mehrwöchigen Aufenthalts mitgearbeitet, Organisatoren und Community kennengelernt. Für den Rundbrief haben wir ihm ein paar Fragen gestellt:

Alex, wir würden gerne Deinen persönlichen Eindruck in diesen Bericht mit aufnehmen.
Wen vom Team hast Du kennengelernt?

Ich war für ungefähr 2 Wochen bei Habibi.Works aktiv. In dieser Zeit waren relativ wenige Volunteers von außerhalb vor Ort, das liegt vor allem an der Sommerzeit. Ich habe das Habibi-Team von zur Zeit ungefähr 20 Menschen kennengelernt, dazu zählen auch die Expert*innen aus der Camp-Community und die Aktiven aus der Partner-Organisation Yoga & Sports with refugees. Ich selbst war für die Zeit als „Supporter“ eingestuft, das bedeutet, dass ich noch nicht ganz zum Team gehörte. Trotzdem war das ganze Team und alle Menschen, die ich kennengelernt habe, super herzlich und offen.

An welchen Aktivitäten warst Du beteiligt?

Vor allem die Gemeinschafts-Küche war mein Ort für diese Zeit. Da das Team ganz schön ausgelastet war, konnte ich gut unterstützen, indem ich die Mittagessen mit anderen Menschen aus der Community gekocht habe. Aber auch der Maker-Space rund um den Laser-Cutter und das Musik-Studio waren Orte an denen ich in meiner relativ kurzen Zeit aktiv war.

Ali aus der Schweiz (re.) und Alex aus Deutschland (li.)
Über welche Aktivitäten kannst Du noch berichten?

Auch wenn ich in der Küche die meiste Zeit verbracht habe, war das Musik-Studio der Ort, der mich am meisten inspiriert hat. Das Studio befindet sich in dem selbst erbauten Dome, der schon durch seine außergewöhnliche Archi­tektur eine besondere Atmosphäre erschafft. Hier konnte ich zwei Menschen bei der Aufnahme von ihren Liedern helfen, denn zu dem Zeitpunkt war niemand vor Ort, der/die sich mit Musik-Produktion auskennt. Das war für mich eine herausstechende Erfahrung. Denn obwohl ich mich sprachlich mit mehreren der Musiker nicht verständigen konnte, entstand durch das zusammen Musizieren ein respektvolles Band zwischen uns.
Für die Menschen, die ich hierbei kennen gelernt habe, war es immens wichtig, sich in der Musik oder in anderen Künsten auszudrücken. Ich denke, das ist keine Ausnahme.

Welche Menschen aus dem Camp konntest Du kennenlernen?

Camp und Team sind innerhalb der Öffnungs­zeiten nicht scharf getrennt. Vor allem die Musikinteressierten und die Menschen, die beim Kochen geholfen haben, habe ich kennengelernt. Für mich stellt Habibi.Works, trotz der willkommen-heißenden Atmosphäre, keinen Ort dar, an dem ich los laufe und alle möglichen Leute kennenlerne. Viele Menschen bringen schwere Erfahrungen und Erlebnisse mit sich. Es fühlt sich für mich nicht richtig an, nach der Vergangenheit zu fragen. Es war speziell für mich, dass sich eine neue Bekanntschaft aus einem alleinig-gemeinsamen Jetzt zusammenbaut. Es gibt kaum vergleichbare Vergangenheit, vor allem die einschneidenden Erfahrungen der Flucht und auch die Zukunft werde ich sehr wahrscheinlich nicht mit diesen Menschen teilen.

Was hat Dich besonders beeindruckt?

Besonders beeindruckt hat mich an Habibi.Works, wie sie mit solch einer Klarheit an bestimmte Herausforderungen eines helfen­den Projektes im Bereich der Arbeit mit und für geflüchtete Menschen herangehen. Für mich hat Habibi.Works, indem sie nicht von „den Flüchtlingen“ und „den hilfsbereiten Frei­willigen“, sondern von einer „Community“ sprechen, einen großen Schritt gemacht. Ich will da ganz direkt sein: Dieses Gefühl von wirklicher Gleichwertigkeit war neu für mich. Auch in Deutschland besteht ein tief etabliertes 2-Seiten-Denken, welches selbst erst für Probleme sorgt, der Begriff und die Notwendigkeit einer „Integration“ entsteht erst aus dieser exklusiven Haltung.

Was wünscht sich Habibi.Works für die Zukunft?

Ich kann nicht genau sagen, was sich Habibi.Works für die Zukunft wünscht, da gibt es denke ich viele verschiedene Stimmen. Eine Perspektive ist auf jeden Fall, dass es keine Camps mehr gibt, wo Projekte dieser Art notwendig sind. Eine andere ist, dass solange das Camp in Katsikas besteht, Habibi weitermachen kann – die finanzielle Lage ist momentan schwierig.

Danke, Alex, für deine Eindrücke aus erster Hand.

Wir möchten das Projekt weiter bekannt machen und auch in Zukunft unterstützen und werden es nächsten Sommer wieder besuchen. Denn leider ist nicht davon auszugehen, dass keine Geflüchteten mehr in dem Camp sein werden – die Politik hat dort noch viele Aufgaben zu lösen.

Durch eine einmalige oder monatliche Spende kannst du, können Sie Habibi.Works unter­stützen:
https://www.globalgiving.org/projects/habibiworks/

Angeliki Pappas

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