Rundbrief 45 – November 2023

Inhalt:


Rückblicke

Die letzten beiden Rundbriefe waren etwas untypisch. Im August gab es eine Festschrift zu unserem 30Jährigen, im Oktober ging es um die bevorstehende Kunstauktion. Unser „Tagesgeschäft“ lief aber weiter. Und darum geht es in diesem Rundbrief: Was haben wir gemacht?

Im August haben wir vier Trinkwasser­aufbereitungs­anlagen für die Ukraine gekauft. Unser ukrainisches Mitglied Gregory Blaida hat recherchiert, was aus den Anlagen geworden ist und ob sie vor Ort wirklich helfen. (Und ja, das tun sie!) Außerdem hat er sich Gedanken gemacht, wie wir den Menschen dort helfen können, über den Winter zu kommen.

Anfang September haben wir ein Jubiläum gefeiert: Das Aachener Netzwerk wurde im März 30 Jahre alt. Giana Haass hat die Feier organisiert und zieht nun Bilanz.

Ein echter Kraftakt ist die Organisation von Bina Mira, der Begegnung von Jugend­theater­gruppen, dieses Mal im serbischen Šid. Cvetin Anicic hat „die Jugend der Welt“ eingeladen, eine Woche im September miteinander zu verbringen.

Im Oktober fuhr unser Hilfstransport nach Calais. Zwei Artikel berichten von den Vor­bereitungen in Deutschland und der Notwendig­keit der Hilfe in Calais.

Viel Vorbereitung bedurfte auch unsere Kunstausstellung mit anschließender Auktion in der ersten Novemberwoche. Finanziell nicht ganz so erfolgreich wie 2022, aber mit vielen positiven Reaktionen aller Beteiligter.

Unsere Ausstellung „Menschen­rechte an den Außengrenzen der Europäischen Union“ ist von Anfang November bis Anfang Dezember in Karlsruhe zu sehen. Die Bilder der Eröffnung zeigen, dass das Thema immer noch wichtig ist und immer noch auf Interesse stößt.

Neben dem Bericht von der EU-Außengrenze bei Calais haben wir noch einen „Gastartikel“ unserer Partnerorganisation Europe Cares, die von Lesbos berichtet.

Leider hört man davon immer weniger in „den Medien“. Umso wichtiger ist, dass wir hinschauen, immer wieder darauf aufmerksam machen und, im Rahmen unserer Möglich­keiten, helfen.

Denn:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu un­verletzlichen und unveräußerlichen Menschen­rechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerech­tigkeit in der Welt.“
Nur zur Erinnerung…

Der Vorstand des Aachener Netzwerks

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Wir stillen den Durst

„Unsere“ Wasser­auf­bereitungs­an­la­gen sind in der Ostukraine im Einsatz

Gregory Blaida hat in der Ukraine als Jour­nalist gearbeitet. Nun lebt er mit seiner Familie in Aachen – und ist seit kurzem Mitglied des Aachener Netzwerks. Er hat recherchiert, wie es „unseren“ Trinkwasser­aufbereitungsanlagen „geht“. Den Artikel haben wir aus dem Ukrainischen übersetzt.

Mehr als eineinhalb Jahre sind vergangen, seit die russische Armee in die benach­barte Ukraine einmar­schierte und Gebiete im Osten und Süden besetzte. Die Zeit vergeht unmerklich. Erfreulicherweise ist die Beteiligung der Länder der zivilisierten Welt an groß angelegten Hilfsprogrammen für die kriegszerrüttete Ukraine spürbar. Auf Initiative des Aachener Netzwerks für huma­nitäre Hilfe und interkulturelle Friedens­arbeit erhielten mehrere ukrainische Städte an vorderster Front Wasseraufbereitungs­anlagen. Die Anlagen versorgen seit dem Sommer dieses Jahres mehrere Tausend Menschen täglich mit Trinkwasser in Städten, in denen es weder Strom noch Licht noch Wasser gibt.

Viele Städte im ukrainischen Donbass, einer Industrieregion im Osten des Landes, spürten die Schrecken des Krieges bereits in den ersten Stunden der groß angelegten Invasion. Bereits im April 2022 war die Stadt Siwersk an der Grenze der ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk infolge des Beschusses ohne Strom, Wärme und Wasser. Die Menschen begannen aus der Stadt mit knapp 11.000 Einwohnern in Richtung Westen zu fliehen. Unter ihnen war Antonina Nychiporuk, Lehrerin für Mathematik und Informatik am örtlichen Berufsgymnasium. Sie erzählt, dass sie mit ihrer Familie nach Aachen gegangen sei mit dem Gefühl, bald nach Hause zurückzu­kehren. Doch schon hier in Deutschland erfuhr sie, dass ihr Haus beschossen wurde. Eine Granate durchschlug das Dach und das Gebäude ist nun baufällig.

In ihrer Heimat Siwersk nahm Antonina aktiv am öffentlichen Leben der Stadt teil und leitete mehrere Jahre den örtlichen Jugendrat. An Energie mangelt es Antonina auch in Aachen nicht.

Antonina Nychyporuk

„Unsere Aufgabe ist es, Europa noch einmal daran zu erinnern: Wir existieren, wir leben, unsere Städte kämpfen, wir haben Kräfte“, sagt sie. – „In meiner Stadt leben jetzt nicht mehr als eineinhalbtausend Menschen.“ Aber in letzter Zeit kehren viele Menschen in ihre Heimat zurück: Wer vor anderthalb Jahren ins Hinterland der Ukraine ging, hat jetzt oft kein Geld mehr. „Sie können es sich nicht mehr leisten, eine Wohnung zu mieten“, meint Antonina Nychiporuk.

Durch den Krieg fällt es den Bewohnern besonders der südlichen und östlichen Ukraine immer schwerer, ihre Infrastrukturprobleme selbst zu lösen. Das zeigte sich besonders nach der Tragödie im Juni, der Zerstörung des Staudamms des Kahovsky-Stausees. Ein riesiges Gebiet südlich des Stausees wurde überflutet und die zentrale Wasserversorgung unterbrochen. In den sozialen Netzwerken wurde Geld für Trinkwasser­aufbereitungs­tabletten gesammelt – und diese Idee wurde schnell vom Aachener Netzwerk übernommen. Aber es zeigte sich, dass nicht nur in der Südukraine, sondern auch im Osten der Ukraine Trinkwassermangel herrscht. Dort gibt es in vielen Städten seit dem Frühjahr 2022 kein Trinkwasser mehr.

Siwersk nach einem der Beschüsse im Sommer 2022

Im Juli 2023 fand in Düsseldorf eine Aktion mit dem Titel „Fahrt fürs Leben“ statt. Im Rahmen dieser Aktion wurden 17 Krankenwagen, zusätzlich gefüllt mit Hilfsgütern, in die Ukraine geschickt. Im Rahmen der „Verabschiedung“ des Konvois in Düsseldorf trafen sich Mitglieder des Aachener Netzwerks mit Vertretern des humanitären Fonds der Territorialgemeinschaft Sudowyschnja.

Gemeinsam überlegte man, wie man die Hilfe am sinnvollsten angehen sollte. Es gab zwei denkbare Unterstützungs­mög­lich­keiten. Die eine war der Kauf von Chlordioxid-Tabletten zur Trinkwasser­aufbereitung, wie oben beschrie­ben. Eine Tablette kann 0,5 bis 1 Liter verschmutztes Wasser reinigen. 100.000 solcher Tabletten würden etwa 11.000 Euro kosten. Die andere war der Kauf von kleinen Trinkwasseraufbereitungsanlagen, die sogar in der Ukraine selbst verkauft werden. Diese Option schien deutlich effektiver. Nach Rücksprache mit der örtlichen Bevölkerung entschied man sich für den Kauf des Trinkwasseraufbereitungssystems „Oasis S-300“ des ukrainischen Herstellers „Ecosoft“. Eine solche Anlage kostet ungefähr 2.500 Euro. Hinzu kommen noch Kosten für einen Tank etc. Das System ist in der Lage, 5.000 Liter Wasser pro Tag oder 35.000 Liter pro Woche zu filtern. Somit sind drei solcher Systeme in der Lage, in einer Woche so viel Wasser wie 100.000 Chlordioxid-Tabletten zu reinigen. Wichtig ist jedoch, dass die Lebensdauer der Anlagen deutlich länger ist.

Oasis S-300 Wasseraufbereitungsanlage

Die Umsetzung des Projekts wurde von zwei Rotary-Clubs in Aachen und Wuppertal mit je 5.000 Euro unterstützt. Darüber hinaus stellte eine Stiftung ebenfalls 5.000 Euro zur Verfügung, zwei Aachener Firmen gaben je 1.000 Euro und eine Privatperson spendete 200 Euro. Insgesamt kamen also 17.200 Euro zusammen. „Das Wichtigste für mich war zu verstehen, was genau die Menschen der Ukraine brauchen. Deshalb haben wir uns mit ukrainischen Freiwilligen beraten, die regelmäßig in den Städten an vorderster Front sind und genau wissen, was die dort lebenden Menschen brauchen“, sagt Helmut Hardy, 1. Vorsitzender des Aachener Netzwerks.

Helmut Hardy (Foto: Aachener Zeitung)

„Am Ende möchte ich von den Menschen gerne hören: Ja, diese Dinge werden für den vorgesehenen Zweck verwendet und helfen uns wirklich. Und dieses Feedback möchten wir auch diejenigen weitergeben, die uns geholfen haben, das Projekt zu finanzieren“, fügt Helmut hinzu.

Oleksiy Karnaukh, der Gründer des humanitären Fonds der Territorialgemeinschaft Sudowyschnja, betont seinerseits, dass die Vorteile dieses Filtersystems in seiner Mobilität und Produktionskapazität liegen. Das System wird über ein normales Stromnetz oder durch einen Generator betrieben. Über einen Wechselrichter kann es auch an eine normale Autobatterie angeschlossen werden. Freiwillige der Stiftung brachten drei der vier gekauften Anlagen in die Städte Kramatorsk, Siwersk und Chasiv Yar. Ein System blieb als Backup übrig, für den Fall, dass eines repariert werden muss oder durch einen weiteren Beschuss beschädigt wird.

„Es macht keinen Sinn, große Systeme zu installieren“, bemerkt Oleksiy, „Mobile Anlagen wechseln leichter ihren Standort, was unter Kriegsbedingungen sehr wichtig ist.“

Freiwillige des Humanitären Fonds von Sudovyshnya
ganz links: Oleksiy Karnauch

Der Leiter der örtlichen Militärverwaltung, Oleksiy Vorobyov, informierte uns darüber, dass die „Oasis S-300“ in der Stadt Siwersk fast 24 Stunden am Tag in Betrieb ist. Das System wurde in einem Raum installiert, in dessen Nähe ein spezieller Brunnen gebohrt wurde. Täglich nutzen bis zu 500 Menschen das durch das neue System gereinigte Wasser. „Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt“, betont Herr Vorobyov. Vor Installation der Aufbereitungs­anlage mussten Reparaturtrupps beschädigte Wasserleitungen unter ständigem Feuer reparieren. Schwere Verletzungen bei Mitarbeitern von Versorgungsbetrieben sind keine Seltenheit. Jetzt ist es nicht mehr notwendig, solche Risiken einzugehen. Die Menschen sind den deutschen Spenderinnen und Spendern sehr dankbar.“

Einwohner von Siwersk nutzen das Oasis S-300-System

Vor der Invasion lebten mehr als 12.000 Menschen in der Stadt Chasiv Jar in der Region Donezk. Aufgrund der Nähe zur Kampflinie (ca. 5 km vom Stadtrand bis zur Front) leben derzeit weniger als 1.000 Menschen in Chasiv Yar. In Skhidniy ist von über zwanzig fünfstöckigen Gebäude kein einziges erhalten geblieben, sagt Serhii Chaus, der Chef der Militär­verwaltung von Chasiv Jar. Genau wie in Siwersk gibt es hier weder Licht noch Wärme noch Wasser. Deshalb bilden sich vor der Filteranlage täglich Warteschlangen. Die ört­lichen Behörden haben die Trinkwasser­abgabe sogar auf 5 Liter pro Person beschränken müssen.

Das System „Oasis S-300“ in Chasovoy Yar

Die dritte Anlage, die das Aachener Netzwerk erworben hat, steht heute in Kramatorsk. Diese Stadt ist eine der größten in der Ostukraine. In dieser Siedlung kam es nicht zu so gravierenden Zerstörungen der kommunalen Infrastruktur wie in Siwersk und Chasiv Jar, doch die umliegenden Dörfer leiden unter Trinkwassermangel. Jetzt wird in der Gemeinde Zvanivska in der Nähe von Kramatorsk ein spezieller Raum gebaut, in dem die Wasseraufbereitungsanlage installiert wird. Der Raum ist isoliert und so für den Winter vorbereitet.

Fazit: Die Aktion war ein voller Erfolg. Mit ihr konnte die Trinkwasserversorgung für mehrere Hundert Einwohner von drei frontnahen Orten sichergestellt werden.

Alle Bewohner der Frontstädte, mit denen wir gesprochen haben, zeigten sich sehr dankbar und betonten, dass die Hilfe des Aachener Netzwerks und ähnlicher Organisationen (über-)lebenswichtig ist.

Gregory Blaida

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Vorbereitungen auf den Winter

Trinkwasser ist lebenswichtig. Doch mit dem Winter kommt die nächste Herausforderung näher. Im letzten Winter zerstörte Russland gezielt die Energie- und Versorgungs­infra­struktur. Die Bevölkerung und die Regierungen der Städte und Dörfer an der Front sind sich sicher, dass der Feind in diesem Jahr den massiven Beschuss lebenswichtiger Institu­tionen wieder aufnehmen wird. Daher ist es an der Zeit, die Menschen nicht nur mit Wasser, sondern auch mit Wärme zu versorgen.

„Selbst das einfachste Heizgerät kann Menschen­leben retten.“ betonte Serhii Chaus aus Chasiv Jar. Im ver­gangenen Jahr kaufte die Verwaltung von Chasiv Yar deshalb Öfen für ihre Einwohner und wichtige Institutionen der Stadt.

Ihre Leistung beträgt 4 Kilowatt, womit man einen Raum von 50 m² heizen kann. Ein solcher Ofen kostet ca. 100 Euro. „Diese kostengünstigen und effektiven Systeme haben sich ausgezahlt“, sagt Chaus.

Zusätzlich be­nötigt man na­türlich Brenn­stoff. Die Bewohner von Chasiv Yar haben gute Erfahrungen mit Briketts aus Eichen- und Kiefernholz gemacht.

Noch besser als der Kauf von Briketts wäre der Kauf einer Maschine zur Herstellung von Briketts. Wie auch bei den Wasser­auf­bereitungs­anlagen muss man hier am Anfang mehr investieren, hat dafür aber eine dauerhafte Lösung. „Im Idealfall werden diese Maschinen durch einen Generator ergänzt, der das Gerät sicher mit Strom versorgt“, meint Antonina Nychiporuk.

Gregory Blaida

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30 Jahre Aachener Netzwerk

Was soll man schreiben? Wir haben gefeiert!

30 Jahre Aachener Netzwerk. Wir haben alle eingeladen und viele viele sind gekommen. Mitglieder aus Aachen, Bonn, Dortmund, Karlsruhe, Tschechien und Bosnien. Befreundete Vereine aus Aachen, Winterberg, Bosnien, …

Die Vorbereitung des Festes habe ich mir als Aufgabe ausgesucht, die ich sehr gerne in die Tat umgesetzt habe. Aber letztendlich nicht alleine!

Viele Helferinnen und Helfer kamen an dem Samstag vor dem Fest zusammen und haben fleißig mitgeholfen: die Bühne wurde geschmückt, die Ausstellung zu unserem 30-jährigen Wirken aufgebaut, das Buffet mit mitgebrachten und vor Ort zubereiteten Leckereien bestückt.

Dabei spielten drei Schülerinnen der Bertolt-Brecht-Gesamtschule aus Bonn, die ich hier unbedingt erwähnen möchte, eine wichtige Rolle. Sie kamen mit ihrem Sportlehrer Mujo nach Aachen, haben eifrig mitgeholfen und dazu beigetragen, dass unser Fest auch ein Fest der (Geschmacks-)Sinne wurde.

Im Rahmen der Festvorbereitung möchte ich gerne noch eine Geschichte von dem Tag vor dem Fest – dem Freitag hier aufschreiben, weil sie mir typisch für das Aachener Netzwerk erscheint.

An dem besagten Freitag, ein Tag vor unserer Feier, war ich mit Ralf im Welthaus verabredet.

Wir wollten die anzuliefernden Getränke entgegennehmen sowie auch den Aufbau der Bühne beaufsichtigen (die Bühne wurde von der WABe-Aachen aufgebaut und uns kostenlos zur Verfügung gestellt) als ich einen Anruf von einer mir nicht bekannten Telefon­nummer bekam.

Es war die Sängerin von der Band „Bow“, die wir für ein Konzert am Samstag gebucht hatten. Sie teilte mir mit, dass sie erkrankt sei und am nächsten Tag nicht auftreten kann. Mein erster Gedanke: „Wir müssen das Konzert absagen!“

Das war eine große Überraschung, mit der ich auf gar keinen Fall gerechnet habe, obwohl es mir im Nachhinein logisch erscheint, bei den Vorbereitungen von so einer Feier auch einen eventuellen Krankheitsfall berücksichtigen zu müssen.

Jetzt galt es zuallererst die Ruhe zu bewahren, das Konzert nicht ganz abzusagen, sondern eine Lösung zu suchen. Dies tat ich auch.

Ich bin schon seit 2009 Mitglied des Aachener Netzwerkes und wir haben schon oft im Rahmen unserer Projekte „spontan“ und den Umständen entsprechend handeln müssen.

Zwei Anrufe in meinem persönlichen Netzwerk des Eventmanagements brachten die Lösung.

Nach ca. 1,5 Stunden bekam ich den Anruf von Volker, Mitglied der Band SKER aus Herzogen­rath. Sie waren bereit „einzuspringen“ und somit unser Musikprogramm zu retten.

Sker live

Damit wendete sich alles zum Guten.

Vor dem Fest gab es ca. 40 offizielle Anmeldungen. Am Ende waren über 70 Gäste vor Ort: Mitglieder, Unterstützerinnen und Unterstützer wie auch ukrainische Freunde waren gekommen, um mit uns unser 30-jähriges Bestehen zu feiern. Vielen Dank dafür – das hat uns sehr geehrt und uns starke Motivation gegeben, mit unseren Projekten weiterzumachen.

Ich selber begrüßte bei strahlendem Wetter die zahlreichen Gäste im Garten des Aachener Welthauses und leitete durch den „offiziellen“ Teil des Programms.

Unsere Bürgermeisterin Hilde Scheidt hielt eine tolle Laudatio. Sie konnte sich noch gut an zahl­reiche Aktionen des Aachener Netzwerks er­innern, so zum Beispiel an die Winterhilfe „Kohle für Kohle“, eine Aktion unseres Vereins unmittel­bar nach Ende des Krieges in Bosnien.

Sie betonte auch die Bedeutung und die Wichtigkeit der Beteiligung von Jugendlichen an unseren Projekten, denn sie sind diejenigen, die die Verantwortung und die Aufgabe haben, eine friedliche Zukunft zu erhalten und zu gestalten.

Heinz Jussen, Mitgründer und Ehren­vorsitzender des Vereins, erzählte in bewegten Worten von seinen ersten Erlebnis­sen mit Schülern, die aus den Kriegsgebieten kamen und die ihn als Lehrer mehr als betroffen machten, sodass er in den 90er Jahren zahlreiche Hilfstransporte in das belagerte Tuzla unternahm. Dr. Mujo Koluh kam in jungen Jahren nach Deutschland und erfuhr Hilfe durch das Aachener Netzwerk – bei dem er heute im Vorstand „sitzt“. Er erinnerte sich noch gut an die schwere Zeit als junger Mann in Deutschland.

Helmut Hardy, derzeitiger erster Vorsitzender, stellte den Netzwerk-Gedanken in den Mittelpunkt. Ohne die zahlreichen Kontakte in Aachen, Deutschland und Europa wäre z.B. die internationale Zusammenarbeit für Geflüchtete an den Außengrenzen der Europäischen Union undenkbar.

rohestheater

Eckhard Debour vom rohestheater sprach kurz über die langjährige Zusammenarbeit beim Jugendtheaterfestival Bina Mira, bevor 15 Schülerinnen und Schüler der Mies-van-der-Rohe-Schule eine bewegende Kurzfassung des letztjährigen Stückes Memento Mori aufführten. Mit ihrer Performance sprachen sie die Tabuthemen an, über die sie untereinander sprechen: vor allem Ängste, Einsamkeit und Probleme der jungen Menschen in der heutigen, unsicher gewordenen und durch Krisen und Kriege gezeichneten Welt und ihrer Auswirkung auf das Gemüt der jung(st)en Mitglieder der Gesellschaft – die Jugend.

Damit war der Übergang zum gemütlicheren Teil des Tages geschafft. Die Band Sker begeisterte das Publikum, parallel wurde gegessen, getrunken, erzählt und gelacht. Im Inneren des Welthauses gab es zahlreiche Informationen, Bilder und Videos über die 30jährige Arbeit des Aachener Netzwerks.

Und als dann DJ Fishmoon aka Ute Haupts auflegte, wurde bis weit nach Mitternacht getanzt.

Zum Schluss möchte ich noch folgende Worte aussprechen/aufschreiben:

Diese drei Jahrzehnte des Aachener Netzwerkes sind ein beeindruckender Meilenstein, der nicht nur die Kontinuität, sondern auch die Stärke und Bedeutung unserer Arbeit und unseres Engagements widerspiegelt.

Das Ehrenamt ist eine Triebfeder des gesellschaftlichen Wandels. Es ist das Herzstück einer Gemeinschaft, das uns miteinander verbindet und unser Streben nach Solidarität und Unterstützung für diejenigen zeigt, die es am meisten brauchen.

Das Aachener Netzwerk hat über viele Jahre hinweg unermüdlich daran gearbeitet, die humanitäre Hilfe und den Dialog zwischen verschiedenen Kulturen zu fördern.

Damals wie auch heute sind wir bemüht, Brücken zwischen Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Herkunft zu bauen, um Verständnis und Respekt zu fördern.

Es sind unsere Mitglieder, ihr, die ihre Zeit und Energie opfern, um anderen Menschen zu helfen.

Es sind die Unterstützerinnen und Förderer, die unsere Vision teilen und die Ressourcen zur Verfügung stellen.

Zusammen schaffen wir eine lebendige Gemeinschaft, die das Leben unzähliger Menschen berührt. Sei es durch humanitäre Hilfslieferungen, unsere Friedensprojekte oder ganz einfach durch (Gesprächs-)Sprachkurse, die unsere Mitglieder zurzeit den ukrainischen Geflüchteten bieten.

Unverhofft bekamen wir noch im Laufe der Feier eine große und schöne Überraschung: unser Kooperationspartner Kipepeo aus Winterberg überreichte uns eine großzügige Spende in Höhe von 1.000 Euro, die uns dazu befähigt, weiter auf unserem Kurs der humanitären „Flüchtlingshilfe“ und inter­kulturellen Friedensarbeit zu bleiben. Vielen herzlichen Dank dafür!

Wir schlossen uns im gleichen Zuge der an dem Tag bekannt gewordenen Kipipeo-Idee, 2024 einen Friedenslauf von Brüssel nach Lviv zu veranstalten, an.

Zu guter Letzt gab es an dem Tag noch zwei neue Mitgliedsanträge – wir wurden zahlreicher und somit noch größer!

Unsere Arbeit spricht lauter als Worte und zeigt, dass Großes erreicht werden kann, wenn Menschen zusammen kommen um Gutes zu tun.

Möge das Aachener Netzwerk in den kommenden Jahren weiterhin blühen und wachsen.
Mögen wir weiterhin Brücken bauen und Verbindungen zwischen Menschen schaffen und so weiterhin unsere Gemeinschaft bereichern.

Wir haben gegessen, getrunken, getanzt, geredet, gelacht und bis in die frühen Morgenstunden gefeiert.

Es war ein wundervoller Tag – Danke an alle!

Giana Haass

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Bina Mira 2023 in Šid – Die Suche nach Großzügigkeit

Reine Seelen sind groß­zügig. Sie teilen gerne alles, was sie haben, mit anderen – Zeit, Energie, Freundlichkeit oder das Essen auf ihrem Tisch. Natürlich geht es bei Großzügigkeit nicht um materielles Geben. Einige der großzügigsten Menschen auf diesem Planeten haben am wenigsten, sind aber dennoch bereit, alles, was sie haben, mit den Bedürftigen zu teilen. Untersuchungen haben gezeigt, dass wir uns glücklicher und gesünder fühlen, wenn wir geben, und dass Großzügigkeit unsere sozialen Kontakte verbessert.

Wie kann man jungen Menschen erklären, was Großzügigkeit heute ist – in Zeiten, in denen ein fauler Geruch des Bösen über uns allen schwebt? Ich fürchte, dieses Wort ist heute sehr fremd und unbekannt geworden. Heute scheint mir, dass das Wort Großzügigkeit falsch interpretiert wird. Es wird heuchlerisch an junge Leute vermarktet. Junge Menschen schwimmen latent im Wasser der Diskriminierung, der Vorurteile und aller modernen Geißeln. Das „Bina Mira“-Fest, dessen Gründungssinn die Verbreitung des Friedens ist, ist heute in Zeiten des Krieges von besonderer Notwendigkeit.

Einen jungen Menschen zur Besinnung zu bringen, eine Art Kulturexorzismus durch­zu­führen und ihn von falschen Moral­vorstellungen zu befreien, von der Abwägung, wer im Krieg die größere Schuld trägt, ist heute die größte menschliche Tat. Es ist das einzig Richtige, sich bewusst zu machen, dass Krieg ein uni­ver­sel­les Übel ist und dass es keine Rechtfertigung für das Töten gibt.

In Šid waren dieses Jahr 2023 vom 18. bis 23. September achtzig junge Menschen zu Gast, die durch Kultur und Kunst die Mauern der Vorurteile niederrissen. In Šid haben wir in diesen Tagen des Schaffens und des geselligen Beisammenseins bewiesen, dass nichts ein Hindernis darstellt, nicht einmal die Unkennt­nis der Sprache, um einander gut zu verstehen.

Junge Menschen aus Deutschland, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Rumänien, Kroatien, Slowenien und Mazedonien standen vor der gleichen Aufgabe, und diese Aufgabe war genau die Suche nach Großzügigkeit.

Aus diesem Grund haben wir neue Workshops in das „Bina Mira“-Programm selbst aufge­nom­men, nämlich; humanitäre Arbeit, die in der städtischen Organisation des Roten Kreuzes Šid durchgeführt wurde. Dort hatten junge Menschen die Möglichkeit, anderen Menschen zu helfen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Sie beteiligten sich in der Küche, wo sie bei der Zubereitung von Essen für die Armen halfen, sie beteiligten sich auch an anderen Inhalten des Programms des Roten Kreuzes und wurden sich so ihrer Großzügigkeit bewusst, Anderen zu helfen, was für uns in dieser Zeit äußerst wichtig ist. Ein weiterer neuer Workshop ist/war kreatives Recycling. Dort wurden junge Menschen auf ihre Großzügigkeit gegenüber der Ökologie aufmerksam …

Die Verbindung zwischen Natur und Kunst ist sehr eng, und durch den Workshop haben uns die jungen Menschen diese Nähe gezeigt.

Dann brachte uns ein Sportworkshop, bei dem junge Menschen Großzügigkeit gegenüber ihrem Körper und Geist zeigten, der öffentliche Friedenslauf, unabhängig von widrigen Wetter­bedingungen, zu einer bewussten Wahr­nehmung des Willens, wie wichtig jede Bewegung, jeder Schritt für den Frieden der Menschheit ist. Sehr symbolisch und präzise und vor allem für junge Leute nützlich.

Ich denke auch, dass Sport eng mit Kunst verbunden ist und dass wir es während dieser Workshops auch geschafft haben, diese Verbindung zu spüren.

Der Workshop zum kreativen Schreiben in der Nationalbibliothek „Simeon Pišćević“ in Šid brachte junge Menschen zurück zum Geist des Buches und des geschriebenen Wortes selbst, der mit der neuen Technologie verloren ging. Den Jugendlichen wurde vor Augen geführt, wie wichtig und wesentlich das WORT ist, wie stabil und vor allem zutreffend es sein muss.

Bei einem Tanzworkshop wurde durch die künstlerische Bewegung bei den jungen Menschen der Wunsch geweckt, Emotionen und Zustände zu erforschen.

Da waren keine Worte nötig, die Sprache war nicht wichtig, alles wurde mit Bewegung gesagt und das Verständnis wurde hergestellt. Großzügigkeit floss durch jede Bewegung, durch jede Geste. Natürlich haben die Workshops, die es seit seiner Gründung beim „Bina Mira“-Festival gab: Malerei, Fotografie, Film, Musik, Schauspiel-Puppenspiel, ihr Ziel erreicht, denn das Ergebnis war die gleiche Großzügigkeit im künstlerischen Schaffen. Ohne aufzudrängen oder vorzuschlagen, war der MENSCH das zentrale Motiv der Kreativität in den Workshops während des „Bina Mira“-Festivals. Diese vergessene Figur, die Grund allen Schaffens und der Initiator von allem ist. Wie zähmt man heute einen jungen Menschen, wie führt man ihn, was sind die Verkehrszeichen oder Rezepte, um aus einem jungen einen wirklich guten und qualitätsvollen Menschen zu erziehen, nach dem diese Gesellschaft schreit?

Wir haben es bei der Präsentation am 22. September gezeigt.

Mir ist die Einbindung der lokalen Gemeinschaft in die eigentliche Arbeit während des Festivals sehr wichtig. Alle Institutionen waren beteiligt und stellten uns ihre Räumlichkeiten, Arbeits­kräfte, technische Unterstützung zur Verfü­gung… Jeden Abend gab es zwei Shows, die von den Festivalteilnehmern selbst aufgeführt wurden. Bei diesen Aufführungen war der Saal des Theaters „Branislav Nušić“ voll. Wegen dieser Offenheit von Bina Mira begrüßte das Publikum jede Gruppe mit tosendem Applaus. Aber ich muss darauf hinweisen, dass dies der Vorteil von Šid ist, der Vorteil der Vojvodina, wo viele Nationalitäten und Völker leben. Wir sind nicht gespalten, unsere Schulen sind nicht geteilt, unsere Kindergärten sind nicht geteilt, die Inschriften auf unseren Straßen sind mit 4 verschiedenen Schriften und Sprachen verziert und das ist ein Beweis dafür, dass wir die kranke Vergangenheit einiger­maßen über­wunden haben.

Šid ist eine Stadt an der Grenze zu Kroatien und auch Bosnien und Herzegowina ist nicht weit entfernt. Dort war das gleiche Übel des Krieges in den 1990er Jahren zu spüren, aber die Normalisierung, der Abbau von Vorurteilen und die Arbeit mit jungen Menschen hatten auch Früchte und Ergebnisse. Einem Kind beizubringen, zuerst zu lieben und erst dann, wer und was es ist, hat heute eine große Wirkung.

Das Festival „Bina Mira“ in Šid fand im Geiste dieses großen, vergessenen Wortes „Großzügigkeit“ statt und ich habe mich als Gastgeber besonders bemüht, aufmerksam zu sein und es allen recht zu machen. Ich habe mein Bestes gegeben, damit keiner der Gäste die Abwesenheit einer Großstadt spürte. In dieser September-Woche war Šid ein kreatives Stadtzentrum.

Die Schlussfolgerung aus all dem ist klar: Wenn Menschen auf der ganzen Welt sich für nur zwei Tage darauf einigen würden, nichts Böses zu denken, wäre die Welt anders, die Welt wäre stärker.

Cvetin Anicic (Projektkoordinator Bina Mira 2023,
Übersetzung von Giana Haass)

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Bina Mira 2023 – 99 Luftballons…

99 Luftballons, 72 Erasmus+ Teilnehmer, 1 Gastgruppe, 10 Workshops, 10 Theater­auf­führun­gen und ganz Šid auf den Beinen, so das Fazit des 14. Bina Mira-Festivals im serbischen Šid.


Stellvertretend für viele dürfen 4 namentlich nicht genannte Jugendliche zu Wort kommen:

Jugendliche*r 1: Die Jugendlichen, die ich auf dem Bina Mira Festival kennengelernt habe, waren sehr offen und gesprächig. Sie haben uns gegenüber keine Barrieren aufgebaut, sondern sind direkt in Kontakt gegangen. Wir haben ziemlich schnell persönliche Gespräche geführt. Zudem habe ich ein „Sprachenlern­wunderkind“ kennengelernt. Der junge Mann hat zwei neue Sprachen mit Hilfe von Fernsehsendern gelernt. Jeden Abend gab es verschiedene Theatergruppen mit jeweils unterschiedlichen Stücken. Ein Stück (A-E-I The Circus of Evolution) ist vollkommen ohne Sprache ausgekommen. Durch Schauspiel, Requisiten und Stimmlage wurde der Sinn verständlich. Durch die schauspielerische Leistung der Jugendlichen, ihre ausdrucks­starken Bewegungen, konnten sie die Sprache ersetzen.

Fazit: Nach einer Eingewöhnungszeit ent­wickelte ich eine Tagesroutine. Die fremden Gruppen, der Ort und der Tagesablauf gerieten in den Hintergrund und ich konnte mich ganz auf die Workshops einlassen. Ich nehme mit, dass nicht immer der erste Eindruck zählt. Sobald ich anfing, mich auf die ungewohnte Situation einzulassen, und mich mit den andern Jugendlichen abgestimmt habe, lief alles wie am Schnürchen.

Jugendliche*r 2: Was erwartete mich im Morgenworkshop: „Humanitäre Hilfe“?Neugierig. Anderen Menschen helfen kann ich, bin ein sozialer Macher. Die Begrüßung war krass: umwerfend, atemberaubend, ich habe mich geehrt und absolut willkommen gefühlt. Lange nicht mehr gefühlt, solch eine Wärme. Sie haben uns bewirtet, sie haben uns gezeigt, dass sie über unsere Mitarbeit glücklich waren. Gänsehaut. 2 Paletten Erbsen, 3 große Palet­ten mit Mehl abgeladen, bestimmt 2,5 Tonnen. Wir haben viel bewegt, nicht nur das Material. Beeinträchtigte Kinder kamen und wir haben bunte Kisten gebastelt. Man konnte an den Gesichtern lesen, dass sie zufrieden waren. Like me. Es tat mir gut, ich war stolz auf mich, ehrlich.

Fazit: Nach einer Eingewöhnungszeit ist das Laufen nicht mehr anstrengend, das Bad ist echt nicht unhygienisch und auch Mücken bringen mich nicht um. Interessant war die Begegnung mit den Jugendlichen aus den Balkanländern, Slowenien, Bosnien, Kroatien und Rumänien: Lebensart: Akzent im Eng­lischen, der Klang der fremden Sprachen, Alkohol und Rauchen gilt als cool, krasser als bei uns. Körperkontakt ist viel verbreiteter, ich habe viele herzliche Umarmungen gesehen.

Jugendliche*r 3: Ankommen, geschockt, meinen Kopf umschalten: Eingestellt auf Lebensstandard. Ich weiß, dass ich mich daran schnell gewöhne. Dort ist auch das WLAN nicht so, wie ich es von zu Hause kenne, und auch ein Stromausfall ist für mich nicht neu. Ich kenne es, mit in Flaschen abgefülltem Wasser sparsam umzugehen. Auch Regenwasser kann man auffangen, um eine Reserve zu haben. Ich fand es irgendwie auch spannender, als wenn alles immer glatt läuft.

Die Übersetzungen beim Theaterspiel haben es ermöglicht, dem Inhalt eines Stückes zu folgen. Das Timing lief manchmal aus dem Ruder. Dennoch war das Schauspiel der Jugendlichen so ausdrucksstark, dass der Inhalt über Mimik und Gestik deutlich wurde. Ein Highlight war ein Tanzstück (Musical HANKA), ich kannte die Musik und konnte mitsingen.

Fazit: Ich danke der Schule, dass sie mir diese Erasmus+ Begegnung ermöglicht hat. Ich nehme die Erkenntnis mit, dass es viel mehr Orte auf der Welt gibt, wo die Menschen mit einem niedrigen Lebensstandard zurecht­kommen müssen. Auch habe ich hier einige Sprachkenntnisse erworben. Das ist ein echter Vorteil, da ich jetzt im kompletten Balkangebiet mit Gleichaltrigen ins Gespräch kommen kann.

Tanzshow

Jugendliche*r 4: Die Anreise war angenehm, anstrengend und traurig zugleich.

Der erste Schock war, dass wir einen Freund am Flughafen in Belgrad, Serbien, zurück­lassen mussten. Er hatte die falschen Reiseunterlagen dabei und bekam nicht die Erlaubnis, einzureisen. Nach langer Wartezeit und mehreren erfolglosen Versuchen, die Grenzbehörden zu erweichen, gab es nur das traurige, telefonische Abschiednehmen. Wir erfuhren später, dass die Nacht im Flughafen kalt und beängstigend war.

Respekt den Leuten, die das Selbstvertrauen haben, auf der Bühne ein Theaterstück zu spielen oder zu tanzen. Für mich und meine Freundin, die bei allen Workshops meine Begleiterin war, ist es schon schwer, laut zu reden. Das Auswendiglernen würde ich noch hinbekommen. Aber eine Rolle zu spielen und an dem Selbstbewusstsein zu arbeiten, das mir ermöglicht, diese große Menge von Augen auf mir zu spüren, das ist eine Herausforderung für mich.

Den kalten Flughafenboden durften 23 Teilnehmer aus Belgien und Deutschland eine Nacht live im Belgrader Flughafen erleben, gab es doch kurz vor dem Rückflug nach Düsseldorf international ein furchtbares Unwetter, Flug­zeuge wurden u.a. nach Budapest umgeleitet und hunderte Passagiere saßen im Flughafen fest, keine Information, kein Schalter offen, keine Infostelle, alle Flughafenhotels randvoll besetzt und alle Gestrandeten versuchten, die Restsitzplätze bei anderen Airlines zu ergattern, koste es, was es wolle, um wenigstens am nächsten Tag wegzukommen. Stress pur! Das ganze „Späßchen“ läuft unter HÖHERE GEWALT und da halten die Fluggesellschaften sich bis auf Weiteres fein bedeckt: Die Mehrkosten für teure Restflüge …dein Problem, nicht meins!

Fazit Bina Mira 14: Eine großartige Jugend­begegnung in Šid, mit Heinz Jussens Schreibwerkstatt „Die Sonne nach dem Sturm“, mit Skoobs Musikgruppe und ihrem Titelsong „We´re Not Gonna Take It“, mit Armin und seiner 99 Red Balloons Tanztruppe, inklusive lebensgroßem Puppengespenst aus Monikas Puppenwerkstatt, mit Ognjens Gruppe und ihren teils bizarren Zukunftsvisionen und Hilke im Sava Sumanovic Museum mit bunten Kunstwerken und Gedichten. In Svjetlanas Re- und Upcycling Workshop ging es um Abfall, künstlerisch und thematisch auf Leinwand geklebt, während Peter und seine Friedens­läufer das echte Balkangewitter zu spüren bekamen, begleitet von Polizei- und Rettungswagen. Nermina durfte viele Kinderspielzeuge und eine gut gefüllte Spendenmappe ans Rote Kreuz überreichen und viele Lacher gab es in Nevenas Videogruppe.

An dieser Stelle Danke Erasmus+, Danke Jugendbüro Eupen, Danke Jugendstrategieplan Ostbelgien, Danke Aachener Netzwerk für alle Unterstützung und last but not least Cvetin Anicic, rastloser Projektkoordinator vor Ort, immer freundlich lächelnd und lösungsorientiert arbeitend. DANKE!

Schon wieder alles Geschichte, viele Gespräche, Erinnerungen, Freundschaften bleiben… vielleicht bis zur 15. Bina Mira Jugendbegegnung im September 2024 im kroatischen Rijka.
Das letzte Wort hat ein junger Teilnehmer: „Ich bin beim Jugendtreffen Bina Mira vielen extrovertierten Menschen begegnet. Ich fand es sehr lustig, mich mit ihnen zu unterhalten, weil sie offen, flexibel und daher lustig waren.“

Elfriede Belleflamme

Friedenslauf

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Alte Freunde, neue Freunde, …

Es war eine große Veranstaltung für einen kleinen Ort und seine Gastgeber mit großem Herzen und guter Seele.

Vom 17. bis 23. September erzählte diese bescheidene Kleinstadt in Srem eine schöne Geschichte über ihre Jugend, Kreativität und die Schönheit der Kunst, Ausdauer und Beharrlichkeit, jugendlichen Charme und Verspieltheit, aber auch vom Charme der geselligen Runde, die bis in die Nacht hinein anhielt und die sicherlich noch lange nach der Heimkehr in Erinnerung bleiben wird. An diesen Tagen trafen sich auch langjährige Freunde, die sich seit fünfzehn Jahren gelegentlich bei solchen Treffen begegnen. Freundschaften halten lange, Generationen wechseln, einige neue Kinder kommen und werden Teil dieser großen und mächtigen Familie. Der Kern und die Form sowie die Idee des Projekts bleiben immer gleich: durch Theaterkunst und verschiedene Workshops Brücken des Friedens und der Freundschaft zu bauen, junge Menschen zu verbinden, die aus verschiedenen Ländern, verschiedenen Kulturen, Religionen und Nationen stammen.

Workshops

Neben den Workshops künstlerischer Art, die tagsüber vertreten waren, sind auch die Workshops pädagogischer/ethischer Art zu erwähnen, die junge Menschen für den Bereich Ökologie und humanitäres Handeln sensibilisieren. Auf diese Weise wird jungen Menschen neben der Kunst gerade heute in der Welt der Krisen und Kriege, verschiedener Katastrophen und globaler Veränderungen in der natürlichen Umwelt bezogen auf Land/Luft/Wasser immer mehr zu einem Gebot für jede Gesellschaft werden. Das schöne Sommerwetter machte es möglich, dass einige der Workshops im Freien stattfinden konnten.

Freundschaften

Oder: Ich singe am Tag, ich singe in der Nacht, … Die Gastgeber des Motels in Dallas waren mehr als tolerant und rücksichtsvoll, sowohl während der Aktivitäten am Tag als auch in den Abendstunden, während der nächtlichen Zusammenkünfte. In den Nachtstunden hallten Geschichten, Gelächter und Späße der „erwachsenen Beobachter“ am Fuße der Fruska Gora wider, und „unter ihren wachsamen Augen“, nicht weit von ihnen entfernt, vergnügten sich junge Leute auf ihre eigene Art und Weise mit lauter Musik, so wie nur die Jugend das kann.

Puppenwerkstatt

​Aufführungen

In den Abendstunden hatten die Länder/Teilnehmer einen Auftritt mit jeweils eigener Show auf der Bühne des Šid Cultural Education Center. Das Publikum – die Bürger von Šid – interessierte sich sehr für das Aufführungsprogramm, sodass der Theatersaal jeden Abend immer voller Besucher war. Die Interaktion zwischen der lokalen Bevölkerung und den Teilnehmern war sehr beeindruckend, jederzeit konnte man Gruppen von Menschen sehen, die sich vor Beginn des Programms oder in den Pausen zwischen zwei Vorstellungen unterhielten. Es gab ein spontanes Treffen mit den Teilnehmern, viele Fragen, Interessen, Antworten… Kurz gesagt, es war spürbar, dass die Einheimischen von Šid traditionell die Theaterkultur respektieren und schätzen, ihre Theater lieben und große Fans solcher Veranstaltungen sind, insbesondere wenn sie von Kindern und Jugendlichen präsentiert werden.

Alle auf dem Festival präsentierten Stücke hatten eine spezifische Form und Konzeption, jedes war einzigartig und hatte einen bestimmten künstlerischen Wert und Stil und berührte das Publikum auf seine eigene Weise.

Generell blieb jedoch ein „bitterer Geschmack“ und der Eindruck bestehen, dass die meisten der auf dem Festival präsentierten Stücke mit der Zeit von der ersten Bina Mira an immer schwierigere Themen aufgreifen. Auf der Bühne gab es viele verschiedene Formen von Gewalt und Grausamkeiten zu sehen, was sicherlich ein direktes Spiegelbild der tatsächlichen Lage und Spiegel der Gesellschaft in diesen Regionen (Balkan) ist. Wir wissen es, und wir sind uns dessen sehr bewusst!

Aber, vielleicht sollte Bina Mira von solchen Themen abrücken? So dass Aufführungen vor allem Botschaften des Friedens und der Liebe aussenden, dass sie heilen und entspannen, dass sie für das Publikum „verdaulicher“ sind und dass in ihnen etwas Licht und Hoffnung entsteht und erblickt wird.

Wir haben gesehen, dass selbst das Fehlen von Sprache im Theaterstück sehr effektiv sein kann, sodass wir alle, ohne dass eine Übersetzung nötig war, die Botschaft sehr gut verstanden haben und dabei entspannen und und Spaß haben konnten (Stück aus Postojana – Harlekin).

Friedenslauf

Ein besonderes Ereignis war der Friedenslauf – Run For Peace – in Anlehnung an das Projekt des Aachener Netzwerks „Flame for peace“, anlässlich des Weltfriedenstages. Mit anzusehen, wie die Bevölkerung von Šid mit Unglauben und Erstaunen den Friedenslauf bei starkem und anhaltendem Regen verfolgte, begleitet von der Polizei und einem Krankenwagen, hatte für alle Teilnehmer einen besonderen Charme. Der Friedenslauf fand im Regen statt, hatte dadurch einen besonderen Reiz und hat ein großes Interesse geweckt. Alle werden sich noch lange und mit einem Hauch von Humor an die Details dieses Ereignisses erinnern.

Präsentationen

Das Abendprogramm am letzten Tag des Bina Mira-Projekts war für die Abschlusspräsentation der Arbeit aller Workshops geplant. Es war ein langer, aber interessanter Abend mit vielen verschiedenen Eindrücken. Die Teilnehmer waren sehr aufgeregt und freuten sich, so viel wie möglich von dem zu zeigen, was sie in den fünf Tagen harter Arbeit in den Workshops erreicht hatten. Die Vorträge fanden nacheinander statt, manche dauerten länger, manche kürzer, aber alle waren interessant, kreativ und reich an vielfältigen Botschaften aus dem Bereich künstlerischer, ökologischer und humanitärer Aspekte!

Anhand der angesehenen Vorträge konnte man folgendes sehen und daraus schließen:
• wie junge Menschen mit einem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein und Begeisterung die ausgewählten Workshops annahmen und mit ihren eigenen Beiträgen deren Umsetzung ermöglichten;
• wie erfolgreich die Workshop-Leiter ihre beruflichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen an die Teilnehmer weitergegeben haben;
• wie junge Menschen all dies verarbeiteten und ihre Kreativität, ihr Talent und ihre individuellen Ideen in kurze künstlerische Formen über­setzten und ihnen so eine gemeinsame Form und ein gemeinsames Konzept gaben;
• dass die Sprachenvielfalt kein Hindernis für eine hervorragende Interaktion zwischen den Teilnehmern untereinander und zwischen Teilnehmern und Workshopleitern darstellte;
• wie die Teilnehmer durch diese Arbeitsweise die Freiheit verspürten, ihre Gefühle und Einstellungen auszudrücken … und dass sie sich bei einzelnen Auftritten in der Gruppe völlig von Anspannung und Nervosität befreiten;
• dass sie in ihren gegenseitigen Unterschieden das Beste aus einander herausholten und dadurch maximales Verständnis und Freude durch gemeinsames Schaffen und Erfolg erreichten;
• dass die größtmögliche Interaktion der Teilnehmer und Workshopleiter mit der lokalen Bevölkerung erreicht wurde;
• dass ein solches Arbeitsmodell das Selbst­bewusstsein junger Menschen steigert und sie dadurch ein positiveres Bild von sich selbst entwickeln, aber auch ihre Vorlieben und Affinitäten wahrnehmen und stärken;
• dass bei jungen Menschen neben künstleri­schen Affinitäten das Umweltbewusstsein und das Bewusstsein für humanitäre Freiwilligen­einsätze in Krisengebieten gestärkt wird.

​Abreise der Teilnehmer*innen

Die Präsentationen endeten und die Teilnehmer verbrachten den Rest der Nacht und den nächsten Morgen hauptsächlich damit, Kontakte zu knüpfen, ihre Eindrücke zusammenzufassen und sich auf die Abreise vorzubereiten.

Samstag, 23. September, der Tag, an dem die meisten Gruppen Šid verließen. An diesem Morgen waren alle sichtlich aufgeregt und beschäftigt. Geschenke wurden ausgetauscht, es gab Umarmungen, Verabschiedungen und ein paar Tränen… später hieß es, sieben verliebte Paare unterschiedlicher Herkunft seien nach Hause zurückgekehrt!

Ist das nicht eines dieser unsichtbaren Ziele des Projekts? … das uns erst nach der Rückkehr in die Heimat bewusst wird!

Eine Katastrophe

Die Teams aus Deutschland und Belgien blieben am Samstagabend in Šid. Eine Theateraufführung stand noch auf dem Programm und am Sonntagmorgen sollten sie nach Belgrad fahren, um am Abend nach Deutschland zu fliegen.

Am Abreisetag wurde unser Team aus Tuzla von Gewitterwolken begleitet, die Regen ankündigten. In weniger als zwei Stunden Fahrt von Šid nach Tuzla zeigte die Natur ihr wandelbares Wunder. Ein großer und anhaltender Regenguss verwandelte sich in Eis und einen Sturm. Die Straße war mit Wasser bedeckt und starke Regen- und Windböen behinderten die Fortbewegung von Fahrzeugen und Fahrern. Nach mehreren erzwungenen Stopps und der Flucht vor großen Eisstücken kamen wir endlich sicher an, mit ein paar Stunden Verspätung.

Danach erfuhren wir, dass Šid und die Umgebung einen großen Sturm erlebten, der das Leben der Bewohner von Šid unerwartet veränderte! Mehrere Stromleitungen wurden unterbrochen, Häuser blieben ohne Strom, Internet, Telefon und bald auch ohne Wasser. Es fehlten Aggregate zur alternativen Stromversorgung, strategisch wichtige Einrichtungen für das normale Funktionieren des Lebens und die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Wasser. Der Unterricht in den Schulen und alle Programmaktivitäten im Theater wurden ausgesetzt, so dass auch die Aufführung in Vukovar abgesagt wurde, also speisten unsere Freunde bei Kerzen und suchten nach „Körnchen Romantik“ in dieser alles andere als angenehmen Situation. Nach enorm hohen Temperaturen, die für Ende September beispiellos waren, kam es zu plötzlichen Schauern und stürmischen Winden.

Wie wenig zeitliche und räumliche Distanz kann uns von einer echten Katastrophe trennen? An diesem Tag wurde uns diese Tatsache zutiefst bewusst.

Umweltschutz

Die durch den Klimawandel verursachte Situation auf globaler Ebene wie Überschwemmungen, Erdbeben und Erdrutsche kommen in unserer Umwelt und auf der ganzen Welt sehr häufig vor. Menschen bleiben ohne Zuhause, ohne ihre Lieben, Kinder ohne Schulen und Bildung, Bauern ohne jährliches Einkommen aus Viehzucht und Landwirtschaft. Wir haben die Katastrophen miterlebt, die sich in der jüngsten Vergangenheit in der Türkei, Kroatien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien, Italien und Griechenland ereignet haben … alles Länder, in denen wir alle irgendeine Art von Katastrophe erlebt haben, bei der Menschen zu Opfern und Geiseln der Natur wurden. All dies sind plötzliche und unvorhersehbare Umstände, die den Menschen unerwartet passieren… aber langsam und sicher werden sie immer vorhersehbarer und erwarteter…!

Einige dieser Phänomene sind das Ergebnis unseres verantwortungslosen Verhaltens gegenüber der Natur, dem Land, dem Wasser, der Luft … Junge Menschen sollten darüber aufgeklärt werden und so weit wie möglich Umweltmaßnahmen erzwingen und praktizieren, wann und wo immer es möglich ist. Wie in Šid. „Auf 250 Metern Straße haben die Mitglieder der Öko-Werkstatt in nur 30 Minuten 24 Plastiktüten voller Müll einge­sammelt“, heißt es im Bericht der Öko-Werkstatt! Wie lange dauert es, bis Plastik zerfällt? Wie viele Autos sind unterwegs, die große Mengen an Abgasen ausstoßen, die die Luft verschmutzen? Das sind alles Fragen, über die sich Menschen, insbesondere junge Menschen, kaum oder gar nicht Gedanken machen. Erst wenn die Ergebnisse dieser Überlegungen in die Tat umgesetzt werden, werden sie sich dessen bewusst, was sie in der Schule und zu Hause hören … und werden sich der Folgen der Zerstörung des Planeten durch menschliche Nachlässigkeit bewusster! Alle Menschen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in Schwierigkeiten sind, brauchen dringend Hilfe, eine freundliche Hand, ein warmes Wort… Retterteams, medizinische und andere humanitäre Helfer, „Brüder in Not“, freiwillige Psychologen mit Gütern, Medikamenten und Geld retten Menschenleben. In solchen Situationen fragt niemand nach Namen, Nationalität, Religion…

Menschen im Unglück zeigen Solidarität, verschmelzen zusammen und bilden eine Einheit. In Šid haben wir gesehen, wie wichtig es ist, junge Menschen in humanitäre, ehrenamtliche Aktionen einzubeziehen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, die Bedeutung ihrer Unterstützung zu spüren und dieses Gefühl zu erleben, wenn das Leben eines Menschen oder zumindest ein Teil seiner Lebensbedürfnisse von ihrer freundlichen Hand abhängt. Und wie sehr bereitet ihnen diese Tat Freude, sowohl denen, die geben, als auch denen, die empfangen!

Emphatie

So ist das Leben. Dies wird in den Schulen nicht gelehrt. Empathie und Solidarität sind als soziale Kategorie bei Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend oder gar nicht ausgeprägt. Dies sollte den jungen Menschen nahe gebracht und bewusst gemacht werden, damit sie sich „in die Lage anderer versetzen“ und ihren Freunden, Familienmitgliedern oder jemandem, der ihnen nahe steht, Unterstützung leisten können!

Wir erleben völlige Gefühllosigkeit in Situationen, z.B. Gewalt unter Gleichaltrigen. Wenn ein Klassenkamerad angegriffen wird, liegt in den meisten Fällen ein völliges Desinteresse der Mitschüler und ein Mangel an Empathie vor. Dann hilft nichts, also ist „Nichteinmischung“ die beste Option, selbst die Gewalttat selbst wird aus Vergnügen und um des Phänomens der „Sensationslust“ willen gefilmt.

Und das Schlimmste: Alles geht viral! Und damit junge Menschen das Gefühl und Bedürfnis haben, in der sozialen Gemeinschaft humanitär und verantwortungsvoll zu handeln, müssen sie zunächst einmal etwas über Empathie und Solidarität im Handeln lernen. Dies würde ihnen auch dabei helfen, den sozialen Umgang mit Gleichaltrigen zu entwickeln. Der soziale Umgang miteinander ist leider durch die Entwicklung der Informationstechnologien und die gegenseitige Entfremdung weitgehend verloren gegangen.

Zurück im Alltag

Und so sind wir alle wohlbehalten zu unseren Pflichten und dem Alltag zurückgekehrt… Auch der Oktober vergeht, wunderschön und sonnig mit hohen, sommerlichen Temperaturen! Ungewöhnliches Wetter für uns in dieser Kalendersaison. Manche sagen, es sei Gottes Wille, aber ich denke, Gott hat dem Menschen die Möglichkeit gegeben, sich selbst und die Natur zu schützen … machen wir das vernünftig? Nun, wir werden erneut von schlechten Nachrichten über neue Krisen in der Welt begrüßt. Tausende Menschen, darunter auch Kinder, werden in Israel und Gaza getötet. Der Krieg in der Ukraine geht weiter, unschuldige Opfer leiden immer mehr und in zunehmender Zahl.

Spendenübergabe

Neue Krisen, Schlachtfelder, Naturkatastrophen … alles spricht dafür, dass es ein sehr kluger und sinnvoller Schritt ist, humanitäre und ökologische Workshops für junge Menschen in das Bina Mira-Projekt zu integrieren, und dass dafür große Berechtigung und Notwendigkeit besteht. Das Handeln des Aachener Netzwerks geht mehr denn je in diese beiden Richtungen, zumal das Aachener Netzwerk über langjährige Erfahrung, Wissen und personelle Ressourcen in humanitären Projekten verfügt!

Liebe Freunde, bis zum nächsten Treffen… in einem anderen Land, in einer anderen Stadt… Auf Wiedersehen und viel Glück, bleiben Sie gesund und friedlich, bis zum nächsten Bina Mira-Treffen im Jahr 2024!

Halida Hasanagic (Pozorište Mladi Tuzla,
Übersetzung von Giana Haass)

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Kunstauktion 2023

Unsere Kunstauktion ist vorbei.

Der Ausstellungsraum ist wieder leer, die Wände wieder „wie neu“, die Einnahmen gezählt. Die Käuferinnen und Käufer haben ihre Bilder teilweise schon bezahlt, die Künstler­innen und Künstler ihre nicht verkauften Kunstwerke größtenteils schon zurück. Es bleiben also noch kleine Restarbeiten.

Wie war’s?

Die Auktion selbst war der Höhepunkt eines langen Projektes. Schon vor mehr als einem Jahr haben wir die Künstler*innen gefragt: „Seid ihr 2023 wieder dabei?“ und bekamen, wie erhofft, viele positive Antworten (und eine Absage). Im November haben wir den Nutzungsvertrag mit dem Atelierhaus gemacht. Damit war klar: Die Auktion 2023 wird stattfinden. Gleicher Ort, neue Zeit.

2022 lag unser Termin noch in den Osterferien. Und drei Wochen vor der Kunstauktion von Terre des Hommes. Mit beidem waren wir nicht so glücklich. Die Osterferien haben verhindert, dass unsere Schirmherrin Sibylle Keupen dabei war. Und tdh wollten wir keine Konkurrenz machen. Deshalb 2023 gegen Jahresende.

Glücklich waren wir mit dem Atelierhaus als Ausstellungs- und Auktionsraum, mit unserer Moderatorin Angela Maas, mit unserem Auktionator Benjamin Fleig, mit der Violinistin Nina Leonards – warum also viel ändern?

Viele Künstler*innen waren wieder dabei, einige waren neu dabei. Insgesamt 42. Ab Mitte August haben wir sie und ihre Werke bei Facebook und Instagram vorgestellt. Ein Extra-Rundbrief stellte schließ­lich alle 78 Kunstwerke vor. Soweit lief alles „rund“.

Ende Oktober sollte die Aus­stellung „gehängt“ werden. Ich hätte gesagt „aufge­hängt“, aber die Künstler*in­nen sagen „hängen“. Aber wer macht das? Die eine ist schwer mit einem Projekt beschäftigt, der nächste hält sich für unfähig, der über­nächste ist gerade in Reha, … Sascha Bayer sagte aber spontan „Ja“, womit sich ein Problem löste.

Für das musikalische Rahmenprogramm hatten wir Sanaz gewonnen, die sich allerdings kurz vorher eine Erkältung zuzog. Und nun?

Kurz vorher hatten wir im Welthaus den ukrainischen Chor Paragraph 24 gehört. Seine Chorleiterin Oksana Bohdan und ihr Mann Alexander sprangen als Ersatz für Sanaz ein. Zuerst bei der Eröffnung der Ausstellung und später, als es bei Sanaz nicht besser wurde, auch bei der Auktion.
Superschön.

Die Eröffnung, Vernissage würden die Künstler*innen sagen, war am 1. November, ein Feiertag. Der Saal war voll. Die Aachener Ober­bür­ger­mei­ster­in Sibylle Keupen eröffnete die Ausstellung mit einer kurzen Rede, bei der sie auf die Geschichte des Aachener Netzwerks einging und besonders das friedenspolitische Engage­ment hervorhob – ein leider sehr aktuelles Thema.

Viele Künstlerinnen und Künstler waren dabei. Die Stimmung war gut und es gab viele Gespräche – man kennt sich halt.

Eröffnung am 1. Mai

Die nächsten drei Tage gaben wir Gelegenheit, die Ausstellung von 15 bis 21 Uhr zu besuchen. Auch das gab wieder Gelegenheit zu interes­santen Gesprächen, die wir gerne nutzten.

Schließlich kam der Sonntag. Einerseits stieg die Spannung, andererseits waren aber auch alle so beschäftigt, dass die Nervosität keine echte Chance hat. Die „Jobs“ waren verteilt und die 11 Helfer*innen des Aachener Netzwerks wussten, was zu tun ist.

Oksana Bogdan

Kurz nach 15 Uhr wurde die Musik etwas lauter und die Anwesenden nahmen Platz. Es waren so viele, dass wir noch Stühle von draußen holen mussten. Angela Maas, ehemalige WDR-Moderatorin, übernahm das Zepter. Sie interviewte kurz die Musiker, dann den Vorsitzenden des Aachener Netzwerks, bis sie schließlich Benjamin Fleig das Kommando übergab. Er schlug seine bekannte Glocke, erklärte die Regeln und es ging los.

Beim Corona-Collier von Albert Sous gab es den ersten Bieter-Wettstreit, auch die „Goldene Stadt“ seiner Enkelin Ana Sous und die Linoldrucke von Antje Seemann fanden mehrere Bieter, aber allgemein waren die Gebote etwas verhalten. 2022 haben wir 3 Werke für 1.500 bzw, 1.200 Euro verkauft, nun lag das Höchstgebot bei 800 Euro. Es wurde nur auf 23 Kunstwerke geboten – 2022 wurden noch 30 Kunstwerke verkauft. Der Verkaufs­erlös lag entsprechend niedrig, bei 7.600 Euro – nach 13.480 Euro im Vorjahr.

Während die Käufer*innen ihre Neuerwer­bungen in Empfang nahmen (die vorher schon „Backstage“ verpackt wurden), wurde schon aufgeräumt und gespült. Auch am Folgetag waren wir wieder im Ausstellungsraum, denn es mussten die Nägel und Schrauben entfernt, die Löcher zugespachtelt, geschliffen und über­strichen werden. Zu dritt war das schnell geschafft. Noch die Stühle in den Keller, noch mal fegen, den Müll weg bringen und wir konnten die Schlüssel abgeben.

Benjamin in Aktion

Hat es sich gelohnt?

Natürlich hatten wir uns finanziell mehr erhofft. Vom Startpreis bei der Auktion erhalten die Künstler*innen 40 Prozent – worauf einige ver­zichten. Aber so viele gingen dieses Mal ganz leer aus.

Der Aufwand im Vorfeld und auch in den Tagen von Aufbau bis Abbau der Ausstellung beträgt, ich habe es nachgerechnet, mehrere Hundert Arbeitsstunden.

Aber der Erfolg berechnet sich ja nicht nur nach dem Kontostand. Es ist einfach toll zu erleben, wie über 50 Leute an diesem Projekt mitwirken, wie die Künstler*innen mitziehen, wie auch die mitfiebern, die nicht dabei waren, wie Lücken spontan gestopft werden, … – so dass nachher jemand meinte, wir wären eine eingeschworene Gemeinschaft.

Ja, vielleicht ist da etwas dran.

Helmut Hardy

P.S.: Ich habe es in dem Artikel nicht explizit gesagt, aber ich hoffe, es ist heraus gekom­men, wie dankbar ich allen bin, die uns in diesem Projekt unterstützt haben!

Backstage: Gregory und Mohammed

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Hilfstransport nach Calais

Dieser Hilfstransport entwickelte sich mehr zufällig: Der Social Day Aachen ist ein jährlich stattfindender Tag, bei dem Firmen und soziale Initiativen zusammen Projekte realisieren. Für die Initiativen tägliches Geschäft, für die Firmen eine Gelegenheit, aus dem Tagesgeschäft raus zu kommen und „Gutes zu tun“. Aber das muss ja nicht an einem festen Tag stattfinden, dachten wir, und stellten zwei Projekte auf der Social-Day-Webseite ein. Eines für den Tag selbst, den 8.9.2023, eines für „irgendwann“. Das war das Projekt „Hilfstransport“.

Aber dann meldete sich die Firma 1CTec bei uns und wollte uns am Social Day selbst bei einem Hilfstransport helfen. Und da der Winter naht (mittlerweile wirklich), haben wir unsere Freundinnen (alle weiblich) bei Collective Aid in Calais gefragt, ob sie etwas benötigen. Winterkleidung, Schlafsäcke, Hygieneprodukte? Eigentlich eine rhetorische Anfrage und so war die Antwort auch klar: „Ja, gerne“.

Dann haben wir noch gefragt, ob sie auch Marmelade oder Erdnussbutter benötigen würden, dann würden wir mal bei Zentis nachfragen.

In Calais arbeiten meh­rere Hilfsorganisation gut und eng zusam­men, wobei jede ihre Zuständigkeit hat. So wurden wir an das Calais Food Collective verwiesen, die gerne eine Palette Erdnuss­butter nehmen wollten. Auch Zentis antwortete auf Nachfrage spontan: „Da sind wir dabei.“

Der Standort Würselen der Firma Nvidia bat die Kolleginnen und Kollegen (vorwiegend männ­lich) um Sach- und Geldspenden. So kam neben mehreren Säcken mit Kleidung auch noch ein stattlicher Geldbetrag zusammen, mit dem wir unsere Kosten decken konnten.

Nvidia

Über Social Media und in unserem Rundbrief riefen wir zu Sachspenden auf, die zuerst in einer privaten Garage gelagert wurden. Vor dort aus gingen alle Sachspenden in die Tiefgarage der Aachener Yunus Emre Moschee, wo sie dann am Social Day von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (gut gemischt) der Firma 1CTEC sortiert und in Kartons verpackt wurden. Die Kartons waren, wie immer, von der Firma Zentis.

1CTEC bei der Arbeit

Am nächsten Tag feierten wir das Jubiläum unses 30jährigen Bestehens und bekamen Besuch von unseren Freundinnen und Freunden von Kipepeo – fair und sozial e.V. in Winterberg. Auch sie brachten eine Ladung Hilfsgüter mit, direkt in die Moschee – und nahmen noch ein paar leere Kartons „für nächstes Mal“ mit.

Auch die Firma Bergans of Norway, die uns schon öfter Winterkleidung gespendet hat, wurde wieder angefragt und kurz darauf brachte der Paketbote zwei Pakete Winter­kleidung!

Manche Sachen werden wenig gespendet, aber oft benötigt. Zum Beispiel Schlafsäcke. Diese (und anderes) holten wir bei Lohmar hilft e.V. ab, wo wir von Manu Gardeweg auch noch zu Kaffee und Kuchen eingeladen wurden.

Das Warenlager von „Lohmar hilft“

Okay, damit hatten wir alles beisammen. Es fehlte nur noch ein LKW für den Transport. Wir erinnerten uns an Bernd in Viersen und fragten ihn, ob er nicht… „Ja, gerne, nach dem Urlaub. Ich stelle den Wagen, ich kann auch fahren und den Sprit müsst ihr auch nicht zahlen.“

Und so rollte er am 17. Oktober vor der Moschee vor. Die Palette mit Erdnussbutter war schon im Wagen – die hatte Bernd schon bei Zentis abgeholt. Ein paar fleißige Hände vom Aachener Netzwerk beluden den Anhänger, und schon war er wieder weg. Direkt nach Calais.

Entladen in Calais

Am nächsten Morgen kamen schon sehr früh die ersten Fotos und zeigten, wie der Anhänger durch die Leute von Collective Aid und dem Calais Food Collective entladen wurde. Es brauchte nicht lange, bis die Hilfsgüter „an den Mann“ (und an die Frau) gebracht wurden. Mehr dazu im Artikel von Collective Aid-Mitarbeiterin Clémence Sonet.

 

Im Warehouse in Calais

Habt ihr mitgezählt, wie viele Leute und Organisationen beteiligt waren? Allen gebührt unser Dank!

Teamwork at its best!

Text und gendern: Helmut Hardy

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Collective Aid in Calais

Clémence Sonet arbeitet als „Program Managerin“ in Calais bei Collec­tive Aid. Das Aachener Netzwerk unter­stützt Collective Aid in Bosnien, Frankreich und Serbien bei seiner Arbeit – über die Clémence hier berichtet:

Collective Aid unterstützt in erster Linie Flüchtlinge, die in Calais auf der Straße schlafen. In der Stadt sind um jede Jahreszeit zwischen 1000 und 2000 Menschen, die täglich kommen und gehen.

Seit den späten 1990er Jahren ist Calais ein Schlüsselort für Exilanten, die versuchen, den Ärmelkanal zu überqueren, unabhängig von ihrer Geschichte, sei es auf der Flucht vor Konflikten, Ernährungsunsicherheit, dem Klima­wandel oder vielen anderen Faktoren. Calais gewann 2015 mit einer neuen Welle von geflüchteten Personen in der Stadt an Auf­merksamkeit, und 2016 hat die Massen­räumung des berüchtigten Dschungels von Calais die immer noch an der Grenze festsitzenden Menschen im Exil nicht verschwinden lassen, sondern im Gegenteil erneut die Instabilität und die unmenschlichen Bedingungen gezeigt, mit denen viele Menschen auf französischem Boden konfrontiert sind. Flüchtlinge in Calais sind ständig mit Zwangsräumungen, Schikanen und der Beschlagnahmung ihres Eigentums durch die Polizei konfrontiert, als Teil einer Politik, die darauf abzielt, die Entstehung eines großen informellen Lebensraums zu verhindern. Die Exilanten schlafen unter gefährlichen Bedingungen in der gesamten Stadt, mit wenig oder keinem Zugang zu Wasser, sanitären Einrichtungen, Strom oder anderen primären Menschenrechten.

Unsere Dienste unterstützen vor allem Menschen, die aus Ländern wie Afghanistan, Sudan und Eritrea sowie aus anderen Ländern des Nahen Ostens und Nord-/Nordostafrikas stammen. Obwohl unsere Dienste allen Menschen in gefährdeten Positionen offen­stehen, besteht unsere größte Bevölkerungs­gruppe aus Männern und unbegleiteten Jungen, die nicht nur in Calais, sondern auch auf den europäischen Migrationsrouten die große Mehrheit der Vertriebenen ausmachen. Frauen und Mädchen machen zwar die Hälfte der Flüchtlingsbevölkerung aus, doch aufgrund traditioneller Familienstrukturen, in denen Frauen die Hauptverantwortung für die Versorgung tragen, und der erhöhten Anfälligkeit für Missbrauch und Ausbeutung entlang der europäischen Migrationsrouten machen sich mehr alleinstehende Männer und Jungen auf den Weg. Unsere aufsuchenden Dienste tragen wesentlich dazu bei, dass unsere NFI (Non-food Items) in die Hände von Einzelpersonen und Familien gelangen, die aus vielen Gründen besonders schutzbedürftig sind und Nothilfe benötigen, darunter Neuan­kömm­linge und Menschen, deren Hab und Gut durch die Räumungen in Calais gestohlen wurde.

Freiwillige im Lager in Calais

Viele der Menschen, die wir mit NFI und anderen Hilfen unterstützen, haben das System seit Jahren durchlaufen und in Deutschland oder einem anderen EU-Land gelebt, bevor sie aufgrund eines abgelaufenen Visums oder aus anderen Gründen ausgereist sind, um weiterhin Sicherheit zu suchen. Die große Mehrheit der in Calais lebenden Menschen möchte in das Vereinigte Königreich reisen.

Im Warehouse

Freiwillige Helfer von Collective Aid versorgen Flüchtlinge, die unter prekären Bedingungen in Calais leben, mehrmals wöchentlich mit Non-Food-Artikeln in Form von Zelten, Decken und Schuhen. Dabei treffen die Freiwilligen Menschen, die in informellen Lagern in der ganzen Stadt leben, und verteilen Hilfsgüter.

Schuhe sind wichtig (Foto: Romain Kosellek)

Bei den Einsätzen verteilt das Team von CA die am dringendsten benötigten Gegenstände an Flüchtlinge. Diese sind notwendig, um den gefährdeten Menschen Würde und Sicherheit zu geben.

Im Winter sind warme und wasserdichte Jacken, Schuhe und Decken/Schlafsäcke für Menschen, die keine andere Wahl haben, als im Freien zu schlafen, lebenswichtig. Als kleine Organisation sind Spenden wie die, die wir kürzlich vom Aachener Netzwerk erhalten haben, für uns unerlässlich, damit wir unsere Dienste weiterhin anbieten und den Menschen helfen können, warm zu bleiben.

Clémence Sonet
(Collective Aid Calais)Clémence Sonet (Collective Aid Calais)

Empfang des Transports am frühen Morgen

 

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Unsere Ausstellung in Karlsruhe

Zur Zeit ist unsere Ausstellung „Menschen­rechte an den Außengrenzen der Europäischen Union“ bei der Gesellschaft für bedrohte Völker in Karlsruhe zu Gast. Am 3. November wurde im dortigen Kulturzentrum Tollhaus die Aus­stellung eröffnet. Hier ein paar Impressionen:

Volles Tollhaus
Musikalisches Begleitprogramm
Dorothee Schack vom Aachener Netzwerk
Europaparlamentarier Prof. Dr. Dietmar Köster
Bundestagsabgeordnete Zoe Mayer
Karlsruher Bürgermeisterin Bettina Lisbach

Nicht im Bild, denn er hat die Fotos gemacht:
Organisator Burkhard Gauly von der Gesellschaft für bedrohte Völker.

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Lasst uns gemeinsam Paréa Lesvos retten!

Seraina Betschart arbeitet für Europe Cares, deren Arbeit auf Lesbos wir u.a. im Mai-Rundbrief vorgestellt haben. Hier ein Update:

Obwohl es fast aus der öffentlichen Wahr­neh­mung verschwunden ist, begeben sich Menschen auf der Suche nach Sicherheit weiterhin auf die gefährliche Reise mit dem Boot über die griechische Ägäis. Tausende Menschen auf der Flucht sitzen auf Lesbos fest. In Gehdistanz vom Flüchtlings­lager Mavrovouni konnte ein warmer und einla­dender Raum der Gemeinschaft und Hoffnung geschaffen werden, wo jeder und jede willkommen ist: das Community Center Paréa Lesvos. Dort begrüßen wir, zusammen mit zehn weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen, jeden Tag rund 600 Besucher*innen. Fernab von dem überfüllten und eingezäunten Lager bieten wir einen «Safe Space», wo Menschen auf der Flucht Zugang zu einer breiten Palette von Unterstützungen haben, darunter Ver­teilung von Lebensmitteln und grundlegenden Hilfs­güter, rechtliche und psychosoziale Unter­stüt­zung, Bildung und soziale Betreuungs­aktivitäten. Für viele wird es zu einem Zuhause in der Ferne, zu einem Ort, an dem sie sich entfalten, sich willkommen fühlen und Kontakte knüpfen können.

Doch die Zukunft von Paréa Lesvos ist gefährdet. Es erscheint derzeit unmöglich, die große Anzahl von Menschen, die Unterstützung auf der Insel benötigen, langfristig zu versorgen. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der auf Lesbos ankommenden Menschen vervierfacht und erreichte im Oktober 2023 mehr als 5.000 Menschen. Die Lebensbedingungen im Camp sind dramatisch: Unterkünfte und Zelte sind überfüllt, die Hygiene-, Sicherheits- und Gesundheits­bedingungen verschlechtern sich, und der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist einge­schränkt. Während die Anzahl von Menschen auf der Flucht auf Lesbos weiter steigt, werden die internationale Aufmerksamkeit und Spenden­gelder immer weniger.

In solchen Krisenzeiten ist ein sicherer Ort wie Paréa wichtiger als je zuvor. Während wir im letzten Jahr täglich durchschnittlich 250-300 Besucher*innen hatten, heißen wir derzeit täglich zwischen 550 und 750 Menschen willkommen. Rekordzahlen bedeuten auch explodierende Kosten für unsere täglichen Aktivitäten, die Instandhaltung und die all­gemeine Entwicklung des Zentrums. Um diese Kosten für die Einrichtung, die Aktivitäten, die Mitarbeitenden und die Freiwilligen zu decken, sind wir mehr denn je auf eure Hilfe angewiesen!

Um über den Winter zu kommen, brauchen wir dringend eure Unterstützung – denn ohne zusätzliche Mittel könnte unser Projekt bald vor dem Ende stehen. Unser Ziel ist es, bis zum Jahresende mindestens 50.000 Euro zu sammeln, um unsere Arbeit fortsetzen zu können. Alle Spenden (Danke dafür!) fließen direkt in unser Gemeinschaftszentrum Paréa – damit unsere Türen offenbleiben und unsere Aktivitäten weiterlaufen!

Es gibt keinen Ort wie Paréa – lasst ihn uns gemeinsam retten!

Seraina Betschart
(Europe Cares e.V.)

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