Amina Smajic ist Rechtsanwältin und Mitbegründerin von IN SANA Western Balkan Women Association e.V.. Angeliki Pappa hat sie für uns interviewt:
Angeliki Pappa (AP): Hallo Amina, magst Du uns etwas über Dein Leben erzählen, wie hat es Dich nach Aachen gebracht?
Amina Smajic (AS): „Ich bin 1981 in Goražde (Bosnien) zur Welt gekommen und bin in Sarajevo aufgewachsen.1992 wurden wir vom Krieg in Goražde überrascht, als wir bei meiner Großmutter verweilten. Die Flucht führte uns über Montenegro und Zagreb nach Deutschland. So bin ich mit 13 Jahren nach Hamburg gekommen und konnte dort eine erfolgreiche Schullaufbahn durchleben. Ich habe ohne zeitliche Verluste mein Abitur gemacht und habe in der Regelstudienzeit Jura studiert. Ich habe dann 3 Kinder bekommen, das 2. Staatsexamen mit 2 kleinen Kindern und hochschwanger abgelegt und habe nur knapp das Prädikat verpasst. 2015 dann mein Berufsstart als angestellte Rechtsanwältin in einer kleinen Kanzlei. Ich habe dann erkannt, dass ich mich spezialisieren möchte auf Medizin-, Migrations- und Sozialrecht und ich mich da einsetzen möchte, wo Unrecht herrscht, wo ich dem Schwächeren helfen kann, mit meinen Instrumenten und dass mir das Freude macht. Ich wollte das dann nicht nur beruflich umsetzen, sondern auch gesellschaftlich Verantwortung übernehmen.
AP: Und wie hat es Dich zu IN SANA geführt?
AS: In der Covid-Zeit und unter Lockdown-Bedingungen habe ich eine Plattform mit anderen Frauen gegründet (über 300 Kontakte über Zoom geknüpft), über die wir tolle Vorträge erleben konnten über Psychologie, Entwicklung, Kunst, Kultur, Geschichte, die uns bewegt haben. Wir haben das in diesem stillen gesellschaftlichen Leben als sehr bereichernd empfunden, wir waren oft sehr berührt wenn z.B. über 100 Frauen bei einem Vortrag versammelt waren. Warum Frauen? Es kam aus unserem Bedürfnis etwas zu bewegen, auch weil die Frauen aus unserer Herkunftsregion West-Balkan ursprünglich wenig pro-aktiv waren. So kam es auch zur Gründung von IN SANA.
AP: Eure Ursprungs-Organisation wurde in 2021 gegründet und dieses Jahr dann “IN SANA Western Balkan Women Association e.V”. Warst Du bei beiden Gründungen dabei und wie kam es zu dieser Entwicklung?
AS: Wir wollten nach der Erfahrung mit der Plattform Menschen inspirieren, zusammenführen, Netzwerke bilden, psychologische Unterstützung bieten.
AP: Arbeitet ihr in einem Leitungs-Team und welche Aufgaben hast Du?
AS: Wir haben 5 Psychologinnen im Vereinsvorstand, die viel Erfahrung mit Flucht- und Migrationsgeschichten und mit traumatisierten Frauen haben. Für mich ist das ein großes gesellschaftliches Thema und wir bringen ein Know-how von fast 25 Expertenjahren zusammen.
AP: Welchen Schwerpunkt siehst Du bei IN SANA e.V.?
AS: Wir möchten dazu beitragen, dass dieses Thema gesellschaftlich anerkannt wird und dass traumatisierten Menschen frühzeitig Hilfe angeboten werden kann. Psychologische Hilfe sehen wir als Grundlage für die spätere Entwicklung der Menschen und die Chancen zu Bildung. Weitere Beratungen, Aufklärung über rechtliche und gesellschaftliche Bedingungen, sollen bei der Integration helfen. Mehr Informationen darüber wie mensch sich bei Behörden verhält, welche Rechte und Pflichten die Menschen in Deutschland haben können dabei helfen, besser anzukommen in der Gesellschaft.
In unserem Vorstand haben wir viele Kompetenzen versammelt, Ärztinnen und Psychologinnen, die auch therapeutische Angebote machen können, außerdem Sozialarbeiterinnen, Pädagoginnen, Kräfte aus dem Gesundheitswesen, Wirtschaftswissenschaftlerinnen, Frauen aus der Wirtschaftsberatung.
Da ist sicher auch mein Aufgabengebiet: bei rechtlichen Fragen zu beraten.
AP: Wie sieht es mit den Finanzen bei Euch aus?
AS: Wir haben Fördermittel beantragt, aber das ist ein langwieriger Prozess, zur Zeit sind wir auf Spenden angewiesen.
AP: Welches sind Eure nächsten Ziele mit IN SANA?
AS: IN SANA möchte eine modulare Wissensvermittlung anbieten, die sich wie ein Grundstock an Kompetenzen für eine erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe liest:
– Juristische Grundbildung: Verwaltungsrecht in der Praxis, insbesondere im Hinblick auf das Migrationsrecht (Anträge auf Familienzusammenführung, Aufenthaltserlaubnis)
– Sozialversicherungsrecht für Ausländer (Themen: Elterngeld, Kindergeld, Wohngeld, Arbeitslosenhilfe, Kranken- und Pflegegeld, Erwerbsminderungsrente und Verletztenrente, Opferentschädigung, Grad der Behinderung etc)
– Ökonomische Grundbildung: Steuern und Umgang mit dem Finanzamt, private Versicherungen, Vermögensaufbau, Altersvorsorge, Selbstständigkeit
Die Fortbildungen sollten ab Oktober monatlich stattfinden.
IN SANA plant eine humanitäre Aktion für das Pflegeheim für Jugendliche mit geistiger Behinderung in Pazarić (Bosnien). Unser Ziel ist die Erreichung der Ausbildungsreife bei betroffenen Jugendlichen durch Organisation von Schulungen und Seminaren sowie die Bereitstellung geeigneter Werkzeuge und Arbeitsutensilien (v.a. Handwerksberufe).
IN SANA plant zudem Workshops für Frauen zur psychologischen Thema „Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten“
AP: Kanntest Du das Aachener Netzwerk schon oder was weißt Du darüber?
AS: Das Aachener Netzwerk kenne ich aus meinem persönlichen Umfeld, sowie durch einen Besuch des Gründers bei uns zu Hause. Ich bin gerührt von dem Engagement des Herrn Jussen und spüre die enorme positive Energie, Liebe und ehrliche Aufopferung für alle Notleidende.
AP: Was würdest Du Dir wünschen für unsere zukünftige Zusammenarbeit?
AS: Ich wünsche mir eine harmonische und vom gegenseitigen Respekt und Freude am Gelingen guter Projekte getragene Zusammenarbeit.