Rundbrief 28 – Juli 2021

Inhalt:

Es geht um Geld

Nein, es geht nicht nur um Geld. Aber es geht auch um Geld.
So oder so ähnlich sollte das Vorwort beginnen, das parallel zum Rundbrief in meinem Kopf entstand.
Und dann kam das Hochwasser. Die humanitären Katastrophen, die sonst so weit weg sind, kamen ganz nahe. Greifbar nahe.
„Wo ist die Rolle des Aachener Netzwerks?“, haben wir uns gefragt. Ganz ehrlich: Wir haben noch keine schlüssige Antwort darauf. Wir sind nicht so viele und wir haben nicht so viel Geld. Aber wir sind ein Verein, der das Wort „Netzwerk“ im Namen trägt. Wir kennen viele engagierte Leute, viele andere Vereine. Und wir werden darüber nachdenken, wie wir dieses Netzwerk auch hier „vor Ort“ nutzen können.
So, wie wir es für Hilfsbedürftige in anderen Krisenregionen heute schon tun. Davon handelt dieser Rundbrief – wie so oft.
Da sind Hartwig und Inke aus Kiel, die auf eigene Faust (und mit unserer Unterstützung) nach Bihać gefahren sind. Da sind Daniel und Uli von der Flüchtlingshilfe Ruchheim (Ludwigshafen), die medizinische Hilfe nach Triest gebracht haben. Und die uns auch ein paar Pakete mit medizinischen Produkten zur Verfügung gestellt haben, die Esada zum Kinderheim Centar Duga mitgenommen hat.
In diesem Kinderheim ist Sabina, die sich mit ihrem Team um Babys und Kleinkinder kümmert, die ohne ihre Eltern aufwachsen. Fast ohne staatliche Unterstützung steht die Bezahlung ihrer Gehälter oft auf wackeligen Beinen.
Da ist Dominic von Collective Aid, der Geld für 5000 Zelte in Calais sucht, damit die Personen auf der Flucht nicht frieren müssen.
Da ist Maurizio in Griechenland, der mit Casa Base ein tolles Projekt macht – und materielle Unterstützung sucht.
Hibe hält für uns den Kontakt zu MFS-Emmaus, die in Bosnien und Herzegowina großartige Projekte machen – und ein größeres Auto suchen, um ihre Arbeit effektiver gestalten zu können.
Es geht also doch um Geld. Geld, um sinnvolle Projekte zu finanzieren. Geld, um den Armen und Benachteiligten zu helfen. Geld, das oft tatsächlich das Überleben sichert.
Zusätzlich zum Geld braucht es Leute, die diese Projekte machen. Die gibt es. Und von denen möchten wir ihnen und euch hier einige vorstellen.
Wir bitten euch herzlich, diese Projekte zu unterstützen – sie sind es wert!

Helmut

Oben


Hilfe für das Kinderheim Centar Duga

Das „Centar Duga“ (Zentrum Regenbogen) in Kulen Vakuf (Bosnien und Herzegowina) ist ein Heim und Zufluchtsort für Kinder von null bis sechs Jahren. Es wurde 1999 von dem deutschen Verein „Schutzengel gesucht“ gegründet. Esada Huber war vor Ort und fängt ihren Bericht mit einem Zitat an:
„Wenn wir wahren Frieden in der Welt erlangen wollen, müssen wir bei den Kindern anfangen.“
(Mahatma Gandhi)

Diesem Zitat vom „Propheten der Gewaltlosigkeit“ begegnete ich sehr oft im Rahmen meines erziehungswissenschaftlichen Studiums. Als Fachkraft für Soziale Arbeit, als Krankenschwester und als Mutter wird mir immer wieder vor Augen geführt, in welchem Ausmaß die Entwicklung kleiner Kinder durch unser Tun und Handeln als Erwachsene beeinflusst wird. Deswegen war es für mich, als Mitglied des Aachener Netzwerks, selbstverständlich, in unserer neuen Projektgruppe für Bosnien und Herzegowina aktiv mitzuwirken. Über Zlatan Kovačević (SOS Bihać) bekamen wir Kontakt zum Kinderheim Centar Duga (Zentrum Regenbogen) in Kulen Vakuf. Centar Duga kümmert sich um Kinder von null bis sechs Jahren. Unser Vereinsmitglied Mersiha Krivdić nahm den Kontakt zum Kinderheim und der Leiterin Sabina Lješčanin auf. Sie erklärte, dass sie sehr froh wären, wenn wir als Verein uns mit Sach- und Geldspenden am Fortbestehen des Zentrums beteiligen könnten.

Medizin für Kinder
Da ich als „ausgewanderte Eingeborene“ im Mai/Juni ohnehin vorhatte, nach zwei Jahren Beschränkung endlich mal wieder nach Bosnien zu reisen, organisierten wir anhand einer Liste von Sabina eine große Tasche an medizinischen Sachspenden und akquirierten über Vitamin A-Z eine Geldspende von 1.500 € von der Firma Henkel. Mit diesen „Gütern“ im Gepäck besuchten meine Familie und ich schließlich Centar Duga in Kulen Vakuf. Der erste Eindruck löste pures Erstaunen bei mir aus: Eine großes, sehr gepflegtes Grundstück mit vielen Spielmöglichkeiten für Kinder, mitten in Kulen Vakuf, erwartete uns. Sabina nahm uns bereits am Eingang in Empfang und führte uns in einen hellen, schönen Konferenzraum. Leider erlaubten die Statuten und Richtlinien der Einrichtung und des Kinderschutzes weder eine Besichtigung des Gebäudes von innen für Privatpersonen noch eine Kontaktaufnahme mit den Kindern. Dennoch bemerkten wir, dass auch innen alles sehr sauber, gut ausgestattet und organisiert war. Wir übergaben Sabina die Sach- und Geldspenden, und ihre Freude war sehr groß, da wir diese so als Verein zunächst nicht angekündigt hatten. Sabina erzählte uns viel über die Gründung und aktuelle Situation der Betreuungsunterkunft und war sofort damit einverstanden, bei einer kleinen Video-Reportage über Centar Duga mitzuwirken.
Wir denken und hoffen, dass wir mit diesem kurzen Film am besten wiedergegeben können, wie wichtig es ist, dieses Heim und diese Zuflucht für Kinder in Not zu unterstützen:

Bitte schaut ihn euch an und spendet für Centar Duga! Spenden an uns mit dem Verwendungszweck „Centar Duga“ werden garantiert für dieses Projekt verwendet.
Damit ermöglicht ihr Kindern in Bosnien und Herzegowina ein sicheres, liebevolles und schönes Zuhause auf Zeit und tragt zu einer kindgerechten Entwicklung bei!

Esada Huber

Oben


Lagerraum gesucht!

9 Monate haben wir die Lagerhalle von „Willkommen in Cronenberg“ in Wuppertal mit genutzt und ein halbes Dutzend Transporte von dort auf die Reise geschickt. Warum suchen wir nun „etwas Eigenes“?
Mitte Juli, tatsächlich der 15., Hochwasser an Ahr, Rur, Erft,… Wir waren bei Zentis und haben leere Kartons geholt, die wir in Cronenberg mit Kleidung füllen wollten. Doch statt dessen mussten wir das Wasser beseitigen, das der Dauerregen durch das undichte Dach geschickt hat. So sah es aus:

Glücklicherweise stand fast alles auf Paletten und der materielle Schaden war gering. Und mit einem Tag Arbeit war der Schaden wieder beseitigt – wir wollen uns wirklich nicht beschweren.
Aber es ist – soll ich es wirklich schreiben? – der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Denn die Zukunft dieser Lagerhalle ist sowieso ungewiss. Ob die Stadt Wuppertal sie weiter für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung stellen wird, ist ungewiss.
Deshalb suchen wir nun „etwas Eigenes“. Optimalerweise:
– in der Nähe von Aachen
– 300 bis 500 m² groß
– mit einem Tor von 3 m Höhe
– anfahrbar mit einem großen LKW
– ebenerdiger Weg
– noch besser mit Laderampe
und dann noch
kostenlos bis günstig!

Doch was ist unser Plan?
Wir möchten mit mehreren Partnerorganisationen im Rheinland dezentral Hilfsgüter für Bedürftige sammeln, um sie dann zentral zu lagern. So machte jede Gruppe nur kleine Sammlungen, braucht weder viel Platz noch viel WoMan-Power.
Gesammelt werden (gewaschene) Kleidung, Schuhe, Babybedarf, Hygieneartikel, Schulbedarf, evtl. auch kleiner Hausrat (z.B. Mixer, Staubsauger, Töpfe, Geschirr), aber keine Möbel. Alles wird direkt bei Annahme einer ersten Qualitätsprüfung unterzogen. Dann wird zeitnah nach Art (Hosen, Jacken,…) und Größe sortiert, verbunden mit einer zweiten Qualitätsprüfung, und versandfertig verpackt.
So werden die Spenden in unser Lager gebracht und auf entsprechenden Paletten gestapelt.
Ergänzt werden die privaten Sachspenden durch Firmenspenden, z. B. aus Fehl- und Überproduktion.
Aus diesem Lager heraus können dann sowohl lokale Gruppen von Helfenden (kleinere Kleiderkammern, Sozialkaufhäuser, Flüchtlingshilfevereine, …) als auch Hilfsorganisationen im Ausland versorgt werden. Dabei kann es sich um kleinere Mengen, aber auch um ganze LKW-Ladungen handeln – je nach Bedarf der Bedürftigen vor Ort. Wobei wir mit dem Begriff „Bedürftige“ alle „Menschen in Not“ meinen, egal ob obdachlos, mittellos, auf der Flucht, …

Oben


Casa Base – ein bisschen Normalität

Kristina Koch war im Juni 2021 in Thessaloniki. Sie hat dort viel gesehen – Licht und Schatten. Vor allen Dingen vom „Licht“ handelt ihr Bericht über das Projekt „Casa Base“ (Italienisch für „Heimatbasis“).
Das Camp „Diavata“ ist eins von sieben Flüchtlingslagern in Thessaloniki. Es ist mit dem Auto eine halbe Stunde vom Zentrum der zweitgrößten griechischen Stadt entfernt und wurde auf dem Gelände einer ehemaligen Militärkaserne errichtet. Bei meinem Besuch im Juni 2021 lebten im Diavata-Camp 1250 Menschen; meist sind dort über 2500 Personen untergebracht. Viele von ihnen waren vorher in Moria.
Das Lager liegt in einem Industriegebiet an einer stark befahrenen Straße. Weit und breit keine Zerstreuung. Keine Schulen, keine Freizeitmöglichkeiten. Vor kurzem wurde eine hohe Mauer um das Gelände gebaut. Ein paar Kinder versuchen durch die wenigen Ritze hinauszuschauen. Einige Männer hocken neben Straßenhunden auf dem schmalen Streifen zwischen Lager und Straße, die LKWs brausen vorbei.
Totale Tristesse – wäre da nicht hundert Meter entfernt ein kleiner Lichtpunkt: die „Casa Base“. Casa Base ist das Projekt des Italieners Maurizio, der 2015 beschloss, eine Lücke für die isolierten Menschen in Diavata zu schließen. Neben dem Lager errichtete er einen Rückzugsort für weibliche Campbewohner: ein ehrenamtlich gestaltetes Center mit Freizeit- und Bildungsangeboten für Mädchen und Frauen.
Durch ein großes Schiebetor trete ich in den Hof. Man fühlt sofort: Hier wird mehr als „Basis“ geboten. Hier ist es bunt. Blumenbeete, fröhliche Malereien an den Wänden, auf dem Boden sind Kästchen mit farbiger Kreide gemalt. Eine junge Frau aus Berlin sitzt auf einer sonnengeschützten Bank und schneidet Ananas und Äpfel. „Für die heutigen Lunchpakete“, erklärt Maurizio, der mich zu einer Führung durch sein Center einlädt. „Der Weg nach Thessaloniki ist weit“, erzählt er. „Die meisten Frauen und Mädchen dürfen ohne Männer das Lager nicht verlassen. Somit können nur die wenigsten die Schulangebote annehmen oder anderweitig dem Leben im Lager entfliehen“.
Das Haus ist 600 qm groß. „Hier war vorher eine dreckige Lagerhalle, voll mit Schrott und Ratten“, erklärt er. Heute ist es ein heller, hübscher zweistöckiger Bau mit 11 freundlich gestalteten Räumen plus Lagerhalle. Finanziert wurde der Umbau nur durch Spenden. Im großen Flur stellen Helferinnen Pakete mit Zahnbürsten und anderen Hygieneartikeln für die Campbewohner zusammen , die kein Geld vom Amt bekommen. Hier sind auch die wichtigsten Infos an die Wand gepinnt, zum Beispiel der Wochenstundenplan: Englisch, Deutsch, Fotografie, Naturkosmetik, Videokunst, Tanz, Gitarre, Acting, Yoga, Basteln. Und das lateinische Alphabet mit deutschen Beispielwörtern. Auch ein paar Eckdaten zur Casa Base: Eröffnet am 5.9.2015. Bislang 817 freiwillige HelferInnen. Dazu Fotos von fröhlichen Kochabenden, Kunstaktionen oder Ballspielen.
In der Küche hängen Tassen mit den Namen der Besucherinnen, die regelmäßig herkommen. In einem geräumigen Zimmer nebenan findet gerade eine Yogastunde statt. Ein kleines Mädchen, das von allen herzlich begrüßt wird und Leila heißt, geht ganz selbstverständlich die Treppe hinauf. Sie führt einen kleinen Hund an der Leine.
Oben gibt es einen gemütlichen Raum zum Ausruhen, vermutlich Leilas Ziel: Sofas mit bunten Kissen, Gitarre, ein Regal mit Büchern. Einige Frauen und Mädels würden hier manchmal ein paar Stunden schlafen, erklärt Maurizio.
In einem weiteren Zimmer beschäftigen sich eine afghanische Frau und eine Freiwillige mit Video Art, auf Englisch. Im Büro arbeitet eine Dame aus Köln am Computer. Nebenan spricht eine weitere Freiwillige mit einer syrischen Frau über medizinische Probleme.
Oft führen die Ehrenamtlichen, die mal in der Casa Base ausgeholfen haben, ihren Unterricht per Zoom von zuhause aus fort. Jede Art von Unterricht würde sehr dankbar angenommen, sagt Maurizio. „Viele Mädchen aus dem Diavata-Camp haben großes Potenzial, sich zu gebildeten und unabhängigen Frauen zu entwickeln“, glaubt er.
Sein Team will den Frauen und Mädchen aus dem Lager vermitteln, dass es Normalität gibt. Normalität jenseits von Diavata und den anderen Lagern, die die Menschen schon durchlebt haben. „Wir wollen ihnen zeigen: Was ihr da drüben erlebt, das ist nicht das normale Leben. Normal ist es hier in der Casa Base. Normal ist, dass ihr respektiert werdet, erwünscht seid, euch gesund ernähren könnt, dass ihr lernen und euch entfalten könnt. Dass ihr Privatsphäre habt.“
Jetzt gehen wir rüber ins Camp. Die meisten Menschen im Lager leben in Containern. Jeder Container wird von zwei Familien bewohnt. Andere sind in abgelaufenen Militärzelten der UN untergebracht. Dazwischen Gebilde aus Lattenrosten und Decken oder Handtüchern, die mit Steinen beschwert sind. In diesen Müllhaufen leben auch Menschen. Gestern gab es ein starkes Gewitter, alles trieft noch. Viele Kinder kommen zu uns und freuen sich, Maurizio zu sehen. Sie fragen alle nach Medikamenten. Die große Schwester isst nicht, Papa schläft nicht. Wir sprechen mit einem etwa 14jährigen Mädchen, das völlig paralysiert wirkt, kaum ansprechbar. Sie stammelt, dass sie Tabletten für ihre Mutter braucht. Maurizio erklärt ihr, wie sie ein Rezept besorgen kann und beruhigt sie ein wenig. Auch ein Stammgast der Casa Base, sagt er.
Am Lagereingang stehen die schlimmsten Hütten. Nicht mehr als einen Meter hoch und maximal zwei Meter lang. Nicht alle sind mit Planen bedeckt und somit Regen und Wind ausgeliefert. Es gibt auch welche, die vorn komplett offen sind, wie Strandmuscheln. Die Hütte von Fatima aus Afghanistan und ihrer kranken Mutter ist allenfalls ein Zeltverschnitt. Mutter und Tochter waren zwei Jahre in Moria, hierher kamen sie vor einem Jahr. Durch ein Housing Projekt der Regierung konnten sie 2020 eine Wohnung in Thessaloniki mieten, doch das Projekt lief nach acht Monaten aus. Nun sind sie wieder hier gelandet. Fatima ist eine stille 18Jährige, die mich auf Englisch höflich einlädt Platz zu nehmen. Ihre Englischkenntnisse vertiefe sie drüben in der Casa Base, später habe sie noch einen Online-Kurs.
Auf dem Asphalt kuschelt ein Junge mit einem großen Hund. Tatsächlich haben sich hier Thessalonikis Straßenhunde mit den Camp-Bewohnern zusammengetan. Die Menschen versorgten die Hunde, erklärt Maurizio, obwohl sie selbst kaum etwas hätten. Und wenn sie auszögen, dann nähmen sie die Tiere entweder mit oder hinterließen sie der Nachbarfamilie. Der Vergleich mit den unerwünschten Hunden und den unerwünschten Menschen liegt nahe.
Abdullah, Sharifa und ihre drei Kinder winken uns heran. Sharifa, die junge Mutter, fegt den Asphalt vor ihrer erbärmlichen Hütte. Davor liegen ordentlich aufeinander gestapelte Decken. Ihr jüngstes Kind ist hier im Lager geboren. Abdullah bedankt sich bei Maurizio auf Englisch für das schöne Hotelzimmer, das ihnen hier zur Verfügung gestellt wird. „Wir sehen uns später am Buffet!“, ruft Maurizio. Ein Running Gag zwischen den beiden, die sich täglich sehen und angefreundet haben.
Man spürt das Anliegen der Lagerleitung, den Menschen ihren Aufenthalt nicht sonderlich erträglich zu machen. Viele Versuche der Bewohner, sich aus Tüchern und Brettern einen Außenbereich zu schaffen, werden torpediert. „Am liebsten sähe man die Bewohner so verzweifelt, dass sie gingen“, sagt Maurizio, „egal wohin.“
Zeit wieder rüberzugehen. Nach dieser Ödnis strahlt die Casa Base noch stärker. Im 300qm großen Garten sind Bäumchen und Blumen gepflanzt, die ein lokales Gartenbaucenter gespendet hat. Auch Beete mit Kräutern und Gemüse. „Die haben die Frauen von alleine angelegt und sie kümmern sich auch darum“, sagt Maurizio. Einige Helfer bauen gerade eine neue Bank. „Es ist wichtig, dass es viele Stellen gibt, wo man allein und unbeobachtet sein kann“, findet Maurizio. In der Tat findet man überall kleine Ecken und Sitzplätze. Selbst auf dem schmalen Streifen rechts vom Haus steht eine Bank, davor ein winziges Blumenbeet. Hauptsache privat und schattig.
Auf der überdachten Terrasse steht neben Grill und Holzofen auch ein langer Tisch. Eine Helferin legt gerade eine Tischdecke mit Blumenmuster auf und stellt Teller und Besteck bereit. „Jeden Tag isst das Team gemeinsam zu Mittag. Die Freiwilligen brauchen auch einen Moment, in dem die Welt normal erscheint, bei all den Geschichten, die sie hier erleben.“
Maurizio wünscht sich für die Besucherinnen der Casa Base:
– Lernbücher für Englisch und Deutsch
– Leichte Lektüre auf Englisch, Deutsch, Französisch, Arabisch, Kurdisch, Farsi (gern Kinderbücher)
– Hefte und Stifte für den Unterricht und zum Malen
– Freiwillige, die einen Monat und länger mithelfen
Sach- und Geldspenden leiten wir gerne weiter.

Kristina Koch

Oben


MFS-Emmaus

„Međunarodni forum solidarnosti – Emmaus“ ist seit 1999 in Bosnien und Herzegowina tätig. Hibe Y. Kamilarovska hält für das Aachener Netzwerk den Kontakt zu dieser Nichtregierungsorganisation und stellt den Verein hier vor:
MFS-Emmaus ist fast so alt wie das Aachener Netzwerk und passt mit seinen Projekten zur Unterstützung sozial schwacher Gesellschaftsgruppen auch inhaltlich gut zu uns.
Ziel und Mission der Organisation ist es, denjenigen zu helfen, die am dringendsten Hilfe benötigen – unabhängig von Herkunft und Religion.
Seit dem Jahr 2017 beschäftigt sich MFS-Emmaus auch mit der Entwicklung sowie Durchführung von Projekten für Geflüchtete. Durch alltägliche Auseinandersetzung mit der gegebenen Lage sind viele neue Projekte entwickelt worden, die der Allgemeinheit dienen.
Eines der wichtigsten Projekte, die im Rahmen der Unterstützung der gefährdeten Bevölkerungsgruppen in Bosnien und Herzegowina durchgeführt worden sind, ist die Verteilung von warmen Mahlzeiten in den Gebieten Doboj, Gracanica, Srebrenica, Bratunac, Tuzla, Bihać und Velika Kladuša. Durch diese Aktion werden im Laufe eines Monats 19.500 Mahlzeiten und 4.882 Brote an Flüchtlinge wie auch ältere und kranke Menschen, die in Tuzla, Bihać und Velika Kladuša sowie in abgelegenen Dörfern in den obengenannten Gemeinden und Städten leben, verteilt. Bei der Essensverteilungsaktion werden die Menschen mit Fluchterfahrungen auch mit Kleidung, Schuhen sowie medizinisch versorgt. MFS-Emmaus möchte auch die Menschen mit Fluchterfahrungen, die in Ruinen, Straßen sowie Wäldern leben, mit warmen Mahlzeiten versorgen.
Angesichts des oben Genannten wurde die Initiative ergriffen, dieser Nichtregierungsorgani‑sation durch Crowdfunding behilflich zu werden. MFS-Emmaus benötigt dringend ein Auto, um sowohl die ausgegebenen Mahlzeiten wie auch Kleidung und Schuhe weiter verteilen zu können als auch die Menschen, die sich unter freiem Himmel befinden, medizinisch zu versorgen.
Spenden mit dem Verwendungszweck „MFS-Emmaus“ werden wir für dieses Projekt verwenden.

Hibe Y. Kamilarovska

Oben


5000 Zelte für Calais

Mit Collective Aid arbeiten wir sowohl in Frankreich als auch in Serbien zusammen. Nun rief uns Dominic aus Calais an:
Als ich vor wenigen Wochen mein Telefon zur Hand nahm, um Helmut Hardy anzurufen, wusste ich noch nicht genau, was ich vom bevorstehenden Gespräch erwarten konnte. Was ich allerdings wusste war, dass er und das Aachener Netzwerk uns bereits im Februar 2021 mit einer Lastwagenladung an Hilfsgütern zur Seite gestanden hatten. Nun, da wir von Collective Aid France unser bisher größtes Projekt zur Spendensammlung für Zelte lanciert hatten, wollte ich herausfinden, wie wir auch in Bezug auf dieses Projekt zusammenarbeiten könnten, um Menschen in Not zu unterstützen. Aber dazu mehr später. Worum geht es überhaupt?
In Nordfrankreich haben Menschen, die das Vereinigte Königreich erreichen wollen, um Asyl zu beantragen, praktisch keine andere Möglichkeit als die sogenannte „illegale“ und gefährliche Überquerung des Ärmelkanals. Viele halten sich wochen- bis monatelang in Calais oder Dünkirchen auf und wagen währenddessen zahlreiche Überquerungsversuche. Solange sie in Frankreich sind, haben sie keinerlei Zugang zu einer menschenwürdigen und angemessenen Unterkunft. Das führt dazu, dass die meisten von ihnen in informellen Lagersiedlungen unterkommen müssen. Sie leben also auf der Straße, auf Feldern und Waldrändern oder im Gestrüpp.
Dabei sind sie nicht nur einem erhöhten und lebensgefährlichen Unterkühlungsrisiko (Hypothermie) ausgesetzt, sondern auch regelmäßigen Räumungen durch die Polizei. Während solcher Räumungen verlieren sie oft ihr gesamtes Eigentum, darunter Zelte und Schlafsäcke.
In Zahlen ausgedrückt: Vom vergangenen Oktober bis Ende Mai 2021 haben wir von Collective Aid France 3600 Zelte an obdachlose Flüchtlinge in der Gegend von Calais und Dünkirchen verteilt. Im gleichen Zeitraum wurden mehr als 4000 Zelte von der Polizei beschlagnahmt und nicht selten zerstört.

Ein Bagger entfernt und zerstört ein Zelt einer obdachlosen Person in Calais, Frankreich. Die Polizei räumt hier die Lager der geflüchteten Personen in regelmäßigen Abständen, wobei diese oft alle ihre Wertsachen und Gegenstände verlieren. © Human Rights Observers
Natürlich kann man sich fragen, ob dies nachhaltig ist. Aber für uns ist es keine Option, die Leute bei tiefen Temperaturen und schlechtem Wetter ohne jeglichen Schutz draußen zu lassen.
Und hier kommt unsere Spendensammlung ins Spiel. Um sicherzustellen, dass wir möglichst vielen Personen, die vom Herbst 2021 bis im Frühjahr 2022 in Nordfrankreich obdachlos sind, ein Zelt geben können, wollen wir bis Ende Juli 46.000 € sammeln und damit mindestens 5000 Zelte beschaffen. Jedes Zelt für zwei Personen kostet zwischen 7 und 8 € (je nach Bestellmenge und Transportkosten). Unser Ziel ist es, sowohl neu angekommenen Personen wie auch denjenigen, die ihr Zelt aufgrund einer Zwangsräumung verloren haben, jederzeit ein neues Zelt geben zu können.
Wenn auch Sie mithelfen möchten, geflüchtete Menschen in Nordfrankreich mit Zelten zu versorgen, würde ich mich über Ihre Kontaktaufnahme sehr freuen. Erreichbar bin ich via calaisdonations@collectiveaidngo.org – egal, ob Sie mehr erfahren, eine eigene Spendensammlung in Ihrem Umfeld starten oder unsere Aktion auf eine andere Art unterstützen wollen wollen, melden Sie sich bitte bei mir. Wer weiß, vielleicht ergeben sich ja auch aus unserem Austausch neue Ideen für eine Zusammenarbeit.
Wenn Sie unsere Aktion mit einer Spende unterstützen möchten, gibt es zwei einfache Wege:
Entweder über die Spendenplattform JustGiving – oder über eine Spende an das Aachener Netzwerk mit dem Verwendungszweck „disconTent“.
Herzlichen Dank!

Dominic Béchaz
Donations Coordinator bei Collective Aid France

Oben


So sehen die Zweipersonenzelte aus, die Collective Aid einkaufen wird. Weil wir direkt mit dem Produzenten arbeiten, können wir sie etwas größer als üblich herstellen lassen (215x130x105cm). Wenn die gesamte Produktion sowie die Lieferung wie geplant verlaufen, bezahlen wir pro Stück bei einer Bestellmenge von 5120 Stück ca. 7 €. Das entspricht einem 20-Fuß-Container voller Zelte.

Oben


Triest – Balkanroute in Italien

Serbien, Bosnien, Kroatien, Italien – auf allen Abschnitten der Balkanroute wird unsere Hilfe benötigt. Mit Daniel Lessinger aus Ludwigshafen kooperieren wir schon lange. Deshalb war es selbstverständlich, dass wir ihn und sein Team unterstützen.
Die Helfer der Organisation „Flüchtlingshilfe Ruchheim“ waren vom 11. bis 16. Juli zur medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in Triest.
Auf dem Platz der Freiheit vor dem Bahnhof treffen täglich geflüchtete Menschen ein, die nach monatelanger Tour über die Balkanroute über Slowenien in Italien eintreffen.
Viele von Ihnen haben Verletzungen durch Misshandlungen der Grenzpolizei, schwer infizierte Wunden an den Füßen und sind meistens total ausgehungert.
Seit Jahren kämpft Lorena Fornasir, eine 67-jährige Psychotherapeutin, für die Neuankömmlinge, indem sie sich um die Wunden kümmert und versucht, mit bescheidenen eigenen finanziellen Mitteln die Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz halbwegs wieder aufzupäppeln.
Die Triester Bevölkerung ignoriert die katastrophale Situation weitgehend und vor unserer Ankunft hat sich dort keine Hilfsorganisation sehen lassen.
Die Situation vor Ort war wirklich bedrückend, die wenigsten der Flüchtlinge tragen noch halbwegs vernünftiges Schuhwerk, Strümpfe haben sie schon lange verloren und auch die restliche Kleidung ist absolut desolat aufgrund der fehlenden Hygienemöglichkeiten unterwegs.
Umso mehr hat es uns gefreut, dass das Aachener Netzwerk sofort und ohne weitere Anfragen seine Unterstützung zugesagt hat. Es hat sich sofort bereit erklärt, die Kosten für Kleidung, Strümpfe und Nahrungsmittel bis zu 500 Euro zu übernehmen.
Wir haben diesen Betrag sofort an Lorena Fornasir ausgehändigt, die T-Shirts, neue Strümpfe und für alle Anwesenden für die Dauer unseres Besuches eine warme Mahlzeit besorgt hat.
Jeden Abend gegen 17 Uhr war auf dem Platz kein Wort mehr zu vernehmen, alle saßen auf den Bänken und auf dem Boden und haben zum ersten Mal seit langer Zeit vernünftiges Essen bekommen.
Eine wirklich großartige Unterstützung der Menschen in Triest. Vielen Dank!

Es danken alle Teammitglieder: Kathy Simunic, Uli Eisenhofer, Jakob Hartung von Hartungen und Daniel Lessinger (v.l.n.r.).

Daniel Lessinger

Oben


Von Kiel nach Bihać

Hartwig und Inke machten sich im Mai mit Unterstützung des Aachener Netzwerks auf den Weg von nach Bosnien. Hier ihr Bericht:
Dankeschön!
Schon lange war eine sinnvolle Hilfsaktion im Rahmen einer Reise geplant und überlegt, ange-fragt und verworfen.
Die Frage: „Sinnvoll?“ beschäftigt uns sehr, da wir uns selber beruflich und privat immer wieder fragen, welche Handlungen wirklich nützlich für wen und welchen Zweck sind in einer Zeit, in der durch die Medien und öffentlichen Diskussionen immer wieder irritiert wird. Kapitalismus soll für umweltpolitische Fragen und gesellschaftspolitische Haltungen eine Lösung bieten – Widersprüche sollen sich im Zwangskontext vereinen.
Jetzt nicht abschweifen: Wir haben für uns entschieden – Sinn macht es wenn:
– die Hilfe direkt dort ankommt, wo sie benötigt wird
– wir uns direkt berühren lassen können
– wir direkt in die Handlung kommen können
– wir unsere Haltung überdenken und reflektieren dürfen und neue Sichtweisen in unser Bild einfügen können, ein Stück mehr verstehen
– wir in Netzwerken denken
– Hilfen von Betroffenen und Einheimischen federführend geleitet werden.
Eine Hilfsaktion ist kein Geber-Nehmer-Verhältnis, sondern viel mehr ein Sich-aufeinander-einlassen um im Dialog einander zu verstehen. Beide Seiten gewinnen. Wenn ich mich entscheide den anderen zu unterstützen, erlebe ich vorher eine Dankbarkeit für meine Situation, in der ich mich mehr aus Glück (Herkunftsland) als aus meinem eigentlichen Zutun befinde.
Dann erlebe ich im Kontakt eine Erweiterung meines Horizonts.
Nach langem Recherchieren, Anfragen, komplizierten Ausreden etc. sind wir auf das „Aachener Netzwerk“ gestoßen. Sehr offen und motivierend hat Helmut uns die Hilfsaktion „SOS Bihać“ empfohlen, vorgestellt und in Kontakt gebracht.
Mit Hilfe von Helmut und der großartigen Irina (Volontärin in Bihać) entstand ganz schnell und konstruktiv ein Austausch, der eine direkte Hilfsaktion ermöglichte.
8 Wochen netzwerken, austauschen, sammeln, organisieren, diskutieren und planen folgten – Wir sammelten 30 Kartons mit Männerkleidung, Schlafsäcken, Schuhen, Handys und Hygieneartikeln – mit soviel Unterstützung von Freunden – dann haben wir noch 3 Kartons aus Lübeck abgeholt – eine wundervolle Zeit mit soviel Solidarität und Interesse, es hat wirklich Spaß gemacht.
Dann ging‘s los, aus dem Norden durch Deutschland, PCR-Test in München, weiter durch Österreich, Slowenien, Kroatien an die bosnische Grenze. Nicht ganz unkompliziert (wir haben eine Mail überlesen und hatten nicht das aktuellste Formular mit), aber dank Irinas unkomplizierter Hilfe und Dolmetscherei sind wir dann durch den Zoll gelangt.
Das „Warehouse“ war schon geschlossen, also noch eine Nacht zwischen Kartons. Mit Irina, Patrick (auch Volontär), einer Filmemacherin und einem Fotografen haben wir einen spannenden Abend in einem zum Flüchtlingscamp diametral gelegenen Restaurant an der Una in Bihać verbracht. Wir hörten Geschichten, Lebensläufe, von sinnvollen und sinnfreien Hilfsmöglichkeiten, von Einheimischen und Fremden, dem „Game“ und den „Pushbacks“… Für uns so viel neue und wertvolle Informationen von tollen Menschen, die uns halfen, uns zu orientieren und die bis heute nachwirken.
Am nächsten Tag galt es dann im „Warehouse“ die Kartons auszupacken, zu sortieren und beim Packen zu helfen – nachmittags kam Christian für 3 Tage, ein Filmemacher aus Deutschland. Mit Zlatan, der „SOS Bihać“ mitgründete und nun als Einheimischer dort leitet, koordiniert und rund um die Uhr im Einsatz für die Flüchtlinge ist, sind wir dann nach Lipa ins Flüchtlingscamp gefahren, haben die Arbeit auf der Straße, im Camp und im Ort vorgestellt bekommen – Respekt, Respekt, Respekt!
In den nächsten Tagen haben wir auf unterschiedliche niedrigschwellige Weise die Arbeit unterstützt – Klamotten sortieren (zwischendurch kam ein 40 Tonner-LKW mit Kleidung), Kleider- und Hygienebeutel packen, einkaufen, Flüchtlinge, die außerhalb des Camps leben oder unterwegs sind, treffen, Kontakt aufnehmen und mit Notwendigem versorgen….
Es ist wirklich Wahnsinn, unter welchen Bedingungen Menschen ihre Flucht aus der Heimat bewältigen müssen – wieder einmal überfällt uns Demut oder ist es so etwas wie Scham? Wir empfinden eine große Dankbarkeit kleine Unterstützungen geben zu dürfen und wünschen uns noch sehnlicher Frieden und Solidarität für unseren Planeten.
Eine intensive Woche mit großartigen Gesprächen mit diesen wertvollen Menschen dort vor Ort: Patrick und Irina, Zlatan und seine Familie.
Danach reisen wir durch Bosnien. Wir bekommen eine wunderschöne Landschaft mit erfrischenden und atemberaubenden Flüssen, Wäldern und Wasserfällen, spannenden Menschen, besonderen Städten und bodenständiger Haltung geboten – und überall dem Wunsch, dass die Politik friedensstiftend handeln soll – die Bevölkerung lebt es doch schon.
Nach der Woche kehren wir zurück nach Bihać, verabschieden uns und nehmen 30 Kartons Erfahrung, Haltung und Gedanken wieder mit nach Deutschland… das Auspacken wird sehr viel länger dauern als die Reisevorbereitung…
Ach ja, in einem Karton steckten 10 Kilo Fröhlichkeit!

Hartwig Kahnt und Inke Böttcher

Oben