Lesbos

Seit 2015 kommen auf der griechischen Insel Lesbos nahezu täglich Boote an, zu Hochzeiten knapp 400 Menschen pro Tag. Das Lager Moria, das ursprünglich für 2.800 Personen konzipiert war, war bereits nach kurzer Zeit überfüllt. Zeitweise lebten 20.000 Personen im Camp und drum herum. Nachdem das Lager aus allen Nähten platzte, überließ man es den Schutzsuchenden selbst, sich Behausungen zu bauen. Es waren einfache Zelte aus Paletten, Planen und ein paar Decken. 2018 erklärte die EU-Kommission Moria offiziell zum Hotspot.
Das ehemalige Militärgelände war umgeben von hohen Mauern und Stacheldraht, die zusätzlich eine abschreckende Wirkung erzielten. Eigentlich sollten im sog. Hotspot schnelle Registrierungen und Identifikationen ermöglicht werden, um dem Ansturm gerecht zu werden – was jedoch auf der kleinen Insel passierte, war genau das Gegenteil. Einige Schutzsuchende berichten, dass sie schon seit mehr als 2 Jahren im Camp leben, ohne jeden Fortschritt in ihrem Asylprozess. Immer wieder gibt es Verzögerungen, Änderungen in den Zuständigkeiten, sogar Gesetzesänderungen. Das alles sorgt für viel Unmut unter den Menschen. Sie sind einem System ausgeliefert, dass den Namen nicht verdient. Sie kommen an in der Hoffnung in Europa zu sein, sie vertrauen auf europäische Werte und werden bitter enttäuscht. An den Außengrenzen der EU scheinen weder die Gesetze der EU noch deren grundlegende Werte Beachtung zu finden. Lebensnotwendige Dinge wie Nahrungsmittel und Wasser wurden und werden nur begrenzt und in schlechter Qualität zur Verfügung gestellt. Während der letzten 5 Jahre stellte die griechische Regierung weder die Strom- noch die Wasserversorgung für die Menschen sicher. Es gibt nur wenige Stunden am Tag Strom und kaltes Wasser, so dass sich überall lange Schlangen bilden. Im Winter fallen die Temperaturen unter null Grad, aber Heizungen gibt es nicht. Viele versuchen mit kleinen Feuern die kalten Nächte zu überbrücken, vor allem die Familien mit Kindern.In der Nacht auf den 9. September 2020 brannte das gesamte Lager ab; die Menschen flüchteten auf die Straße. Dort blieben sie 10 Tage. Als besonders prekär stellte sich heraus, dass die Menschen vom Militär nicht mit ausreichenden Lebensmitteln versorgt wurden. NGOs, Ärzt*innen und Journalist*innen war es nicht erlaubt, die gesperrte Zone (die Straße, in der die Menschen leben mussten) zu betreten, um die Schutz suchenden Menschen zu versorgen. Währenddessen errichtete das Militär eine provisorische Zeltstadt mit 1300 Zelten. Das Camp wurde auf einer Landzunge direkt an der Küste errichtet, wo es keinen Schutz vor dem starken Wind gibt. Zu Beginn, als ca. 9.000 Menschen im neuen Camp lebten, gab es ca. 150 Dixi-Toiletten.Mittlerweile, ca. 6 Monate später, sind es um die 400 Dixi-Toiletten für 7.200 Menschen. Es gibt nur wenige Möglichkeiten sich die Hände zu waschen, ohne Seife oder Desinfektionsmittel. Selbst nach 6 Monaten gibt es nicht einmal 40 Duschen in Moria 2.0.
Möchte man bewusst die Situation und die Strukturen nicht verbessern? Dusch-Container mit Warmwasserboiler innerhalb Europas zu ordern, sollte doch nicht die größte Schwierigkeit sein.
Nachdem das Camp eine Woche von Menschen bewohnt war, wurde das ehemalige Militärgelände nach Munitionsresten und Blindgängern abgesucht, daneben standen Kinder. Die aktuell installierte Stromversorgung ist nur mangelhaft (pro Tag ca. 2-3 Stunden aktiv) und bringt bei Unwetter große Gefahren mit sich.Dabei sprach doch die EU-Kommissarin für Inneres erst im September davon, dass es kein zweites Moria mehr geben wird. Gleichzeitig errichteten sie Moria 2.0 und man stellt fest: Es ist noch schlimmer!
Journalist*innen bekommen keine Genehmigungen, um die Bedingungen im neuen Camp zu dokumentieren. Tagtäglich werden die Menschenrechte in diesem Lager mit Füßen getreten. Doch wie soll man sie verteidigen, wenn keiner etwas von den Menschenrechtsverletzungen weiß?